Ein älteres Ehepaar spaziert der Wintersonne entgegen, im Sonntagsstaat – vor dampfender Industriekulisse. Lachende Kinder spielen im Schatten martialischer Stahlwerke. Einkaufsgedränge in Innenstädten, Kopftuch begegnet Hotpants, Schlachten an Kaufhaus-Wühltischen, als „Sale“ noch „Schlussverkauf“ hieß und jeder Pfennig zählte … Typisch Holtappel! Die Motive des Oberhausener Fotografen prägen seit den 1950er Jahren das Bild vom Ruhrgebietsalltag – in Schwarz-weiß, feinem Humor und Sympathie für die Menschen hier.
Rudolf Holtappel (1923-2013) hinterließ ein riesiges Œuvre, rund 360.000 Negative, tausende Abzüge und Dias aus über 60 Schaffensjahren, das die Stadt Oberhausen aufkaufte und der Ludwiggalerie zur Archivierung und Aufbereitung übergab. Die große Werkschau präsentiert nun Holtappels Arbeit anhand von über 200 thematisch arrangierten Aufnahmen (dazu Kontaktbögen, Fotobücher, Kameras, Fotolabor) in all ihren Facetten: Holtappel als Ruhrgebietschronist, der 1960-75 im Verlagsauftrag für 13 Bildbände die Städte porträtierte. Als Theaterfotograf, der Programmhefte des Theaters Oberhausen mit dynamischen Szenenfotos bebilderte. Als prämierter Industriefotograf, der neben Produkt und Firma auch Mitarbeiter und Besucher in Szene setzte. Und, speziell im Auftrag von Karstadt, als begnadeter Warenhausfotograf. Holtappel sah sich als Fotojournalist, der Aufmacherbilder fabrizierte, „nichts für die Wand“. Zu musealen Ehren kam er dennoch im hohen Alter, als man seine Fotografien als atmosphärische erzählerische Zeitzeugnisse wiederentdeckte. Seine Werkschau hätte ihm gefallen.
Rudolf Holtappel. Die Zukunft hat schon begonnen. Ruhrgebietschronist, Theaterdokumentarist, Warenhausfotograf | bis 6.9. | Ludwiggalerie Schloss Oberhausen | 0208 412 49 28
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Malerische Fotografie
„Foto – Kunst – Foto“ im Clemens Sels Museum Neuss – Kunst in NRW 12/24
Fotografien einer Gesellschaft
Robert Frank im Essener Museum Folkwang
Die Macht der Bilder
Katharina Sieverding im Düsseldorfer K21
Die abwesenden Menschen
Jörg Winde im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte
Lebendige Zeitgeschichte
Marga Kingler im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 07/24
„Keine klassischen Porträtfotografien“
Kuratorin Kerrin Postert über „UK Women“ in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Sammlung 06/24
Intensive Blicke
Fotografin Annelise Kretschmer im MKK Dortmund – Ruhrkunst 03/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Kunstvolle Stahlarbeiten
„work comes out of work“ in Bochum – Kunstwandel 01/24
Auf nach Phantásien!
Illustrationen zu Michael Endes Geschichten in Oberhausen – Ruhrkunst 10/23
Wege der Landschaftsdarstellung
Sven Drühl in Oberhausen – Kunst 08/23
Futter fürs Bildgedächtnis
Pixelprojekt-Neuaufnahmen in Gelsenkirchen – Ruhrkunst 08/23
Die Dinge ohne uns
Alona Rodeh im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 12/24
Strich für Strich
„Zeichnung: Idee – Geste – Raum“ in Bochum – Ruhrkunst 12/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
Roter Teppich für das Kino
Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 08/24
Happy End
Ausstellung über Glück in Bochum – Ruhrkunst 07/24
Im Bann der Impulse
„Radiant“ im Lichtkunstzentrum Unna – Ruhrkunst 06/24
Alle für einen
Matthias Wollgast im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 06/24
Leben in der Wüste
Namibia-Ausstellung im Naturmuseum Dortmund – Ruhrkunst 05/24
Hin und weg!
„Ferne Länder, ferne Zeiten“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 05/24