Drei Tage vor Weihnachten, dem deutschesten aller deutschen Feste, besuchen die Rebellen die Katakomben in Essen: junge Wilde, die keinerlei Respekt haben, sich einen Teufel um einen politisch korrekten Umgangston scheren, die frei Schnauze auf den Putz hauen und die eigene Herkunft zur Zielscheibe des Spotts machen. „RebellComedy“ nennen sich die sechs Stand-up-Comedians mit internationalen Wurzeln, die unter dem Titel „Deutscher Frühling“ erfahrungsgemäß ein junges, multikulturelles Publikum anlocken, das bereit ist, sich halb tot zu lachen, wenn einer wie Pu (Münster/Teheran) verkündet: „Auf Kanaken ist Verlass“.
Da erzählt Khalid, der eloquente Gastgeber des Abends, von seinem Respekt vor dem Meer und Özcan Cosar, ein türkischstämmiger Schwabe, gesteht, dass er einen Heidenrespekt vor Flugzeugen und Prüfungen habe. Dabei lässt der mit stupender Körperbeherrschung gesegnete Comedian die Zuschauer an seinen Erfahrungen als Kellner teilnehmen, berichtet von seiner traumatisierenden Beschneidung als kleiner Junge und stellt die diversen Tanz-Typen vor – von ungelenken Zappeleien bis hin zum sexy Hüftschwung.
Hany (Ägypten/Deutschland) macht sich unter anderem über die „Horizontschönheiten“ lustig, Ususmango, dessen Eltern aus Saudi-Arabien kommen, knackt Tabu-Themen wie Hitler und Schwule und der in Marokko geborene Banaissa trauert der Zeit nach, als es noch keine Handys gab. Untermalt werden die mit Verve und Witz an den Mann beziehungsweise die Frauen gebrachten Sketche durch lautstarke Beats. Keine Frage: die multikulturelle Truppe schließt mit ihrer Mischung aus erfrischender Nonchalance und Despektion eine Marktlücke.
Ebenfalls kein Blatt vor den Mund nimmt Anny Hartmann in ihrem Jahresrückblick „Schwamm drüber?“, mit dem sie am 21. im Bochumer Bahnhof Langendreer gastiert. Da kann man sicher sein, dass hier nichts einfach weggeputzt wird. Vielmehr fühlt die politische Kabarettistin den Herrschaften in Berlin akribisch auf den faulenden Zahn. Eines steht ebenfalls fest: Hartmann lässt ihnen nichts durchgehen. Mit ironischer Distanz, großer Lust am Spiel und jeder Menge Verweise auf das, was in den vergangenen Monaten schief gelaufen ist, analysiert sie den Lauf der Zeit und seine Auswirkungen auf den Bundesbürger. Beispiele gefällig? Viele Frauen fragten sich nach der Einführung des Betreuungsgeldes, ob sie nun kochen lernen müssten. Außerdem habe Barack Obama bei seinem Berlinbesuch vor dem Brandenburger Tor laut und deutlich bekannt: „Ich bin ein Geheimdienst“. Wer hätte das gedacht!
Wesentlich andere Kaliber sind im Essener Stratmanns Theater zu Gast. Mit Frank Goosen und Jochen Malmsheimer steht das ehemalige Duo Tresenlesen auf der Bühne – freilich hintereinander. Goosen singt seinen „Krippenblues“ am 4. und 15., Malmsheimer weckt am 16. und 17. mit „Jauchzet, frohlocket“ die Zuschauer aus ihrer Lethargie, zwei Weihnachtsprogramme wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Goosen, der im Übrigen auch am 10. im Oberhausener Ebertbad gastiert, schildert das Weihnachtfest im Schoße der Familie, „was nur eine andere Formulierung ist für Katastrophe“ und Malmsheimer knibbelt die Zuckerglasur vom Knusperhäuschen – in Begleitung des Tiffany-Ensemble unter Leitung von Uwe Rössler. Also: nix wie raus aus dem Haus und rein ins Theater – rät Ihnen Ihre stets über Tage lebende
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