Jahresrückblicke und X-mas-Shows schön und gut: Es gibt aber auch noch „normale“ Höhepunkte auf den Bühnen der Region. Zum Beispiel das Gastspiel des Schweizer Duos „Ohne Rolf“. Diese beiden genialen (ja, das sind sie tatsächlich) Künstler haben eine völlig neue Ausdrucksform gefunden: Man unterhält sich – und die Zuschauer – via Plakate. Dass man so ein konzentriertes, die Spannung auf die Spitze treibendes Stück schreiben kann, dessen Höhen und Tiefen die Empathie und den Grips gleichermaßen fordern, beweisen Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg in ihrem ersten Programm „Blattrand“, mit dem sie am 1. Dezember in der Aula des Euregio-Gymnasiums in Bocholt zu Gast sind.
Was den Blick zurück angeht: Genau genommen begnügt sich die rattenscharfe Anny Hartmann nicht mit einem Jahresrückblick, sondern prophezeit schon mal den Weltuntergang. Dass das Abendland im Allgemeinen und die Deutsche Bahn dabei mit im Boot sitzen, dürfte als Glücksfall bewertet werden, sind beide doch dafür berüchtigt, entscheidende Entwicklungen zu verschlafen beziehungsweise mit einiger Verspätung einzutreffen. Hartmann, eine der wenigen jungen politischen Kabarettistinnen hierzulande, legt in „Schwamm drüber“ (am 9. im Bochumer Bahnhof Langendreer) den Lauf durch die vergangenen Monate im Sauseschritt hin, pflückt die sich am Wegesrand befindlichen Aufreger und nimmt sie genüsslich auseinander.
Zu den gewieften Verhackstücklern des politischen Treibens in unserer Bundeshauptstadt (und anderswo) gehört auch Mathias Tretter: 365-mal Tagesschau haben bei ihm Spuren hinterlassen. Frei nach dem Motto „Vergangenheitsbewältigung leicht gemacht“ unternimmt das Ex-Mitglied des „Ersten Deutschen Zwangsensemble“ am 15. auf der Bühne Pepperoni in Bocholt unter dem Titel „Nachgetrettert“ einen sorgfältig recherchierten Streifzug durch die Republik – und hebt dabei so gut gehütete Schätze wie den G8-Punkt von Frau Merkel und fünf von Schäuble übersehene Festplatten.
Bevor das Jahr zu Ende, geht werden eigentlich ganz nette Menschen zu Shopping-Freaks und so manche Frau mutiert zur Deko-Liesel mit Kitschgemüt. Nicht so Nessi Tausendschön: „Frustschutz“, so der Titel ihres Weihnachts-Programm, das sie am 8. in der Stadthalle Mülheim und am 13. im Kulturtreff Glashaus Herten präsentiert, ist alles andere als heimelig. Da kommt zum Beispiel Gabi Pawelka zu Wort, eine hörbar aus dem Osten Deutschlands kommende Frau, die von den positiven Auswirkungen eines Motivation-Seminars auf ihr Selbstbewusstsein zu berichten weiß und im Publikum nach einem Lebensgefährten sucht, dessen Mutter möglichst das Zeitliche gesegnet hat.
Ähnlich unkorrekt und bodenständig ist die grandiose Tina Teubner, die in „Stille Nacht bis es kracht“ (am 2. im Bochumer Bahnhof Langendreer, am 8. in den Essener Katakomben, am 9. in Velbert im Schloss Hardenberg und am 16. im Hagener Hasper Hammer) zeigt, was „Unfug zur Weihnachtszeit“ bedeutet: eine unorthodoxe Mischung aus Liedern, die Ben Süverkrüp am Flügel begleitet, ergänzt von bitterbösen Texten, die die Musikkabarettistin mit satanischem Lächeln unters Volk streut – ein Engel mit Haaren auf den Zähnen statt Flügeln auf dem Rücken. Muss man gesehen und gehört haben, schwört hoch und heilig Ihre stets über Tage lebende
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Zoten zum Verzweifeln
Kabarettisten klären auf über die Weltpolitik – Komikzentrum 04/20
Jenseits der Herrenwitz-Hegemonie
Gleichberechtigung durch Kabarett? Kebekus und Co. machen es vor – Komikzentrum 03/20
Gags mit Migrationshintergrund
Junge Comedians für ein multikulturelles Publikum – Komikzentrum 02/20
Sie passiert das Ebertbad
Die erstaunliche Hazel Brugger gastiert in Oberhausen – Komikzentrum 09/18
Von klug bis knackfrech
Das Zeltfestival Ruhr bietet für jeden Besucher etwas – Komikzentrum 08/18
Es läuft und läuft
Das RuhrHOCHdeutsch-Festival in Dortmunder Spiegelzelt – Komikzentrum 07/18
Sexy, lustig und extravagant:
Das RuhrHochdeutsch-Festival ist wieder am Start – Komikzentrum 06/18
Ganz ruhig bleiben
Zum 10. Mal: „Das Schwarze Schaf“ wird in Duisburg gekürt – Komikzentrum 05/18
Eine geistvolle Begegnung
Walter Sittler liest Dieter Hildebrandt – Komikzentrum 04/18
Geld war eher Zufall
Der Kabarettist Chin Meyer erklärt die Weltwirtschaft – Komikzentrum 03/18
Gehüpft wie gesprungen
Das Springmaus-Ensemble in Bocholt und Gelsenkirchen – Komikzentrum 02/18
Eine Dame wird sie nie
Tanja Haller zeigt in Bochum, was sie drauf hat – Komikzentrum 01/18
Deprimierende Weihnachtslieder
Jochimsen, Anna Mateur, Frittrang, Badey und Zingsheim – Komikzentrum 12/17
Tegtmeiers Erben gesucht
Im Kulturzentrum Herne findet das Wettkampf-Finale statt – Komikzentrum 11/17
Stopp an der Maulhaltestelle
Sting, Köbernick und Solga reden trotzdem weiter – Komikzentrum 10/17
Berauschend und unterhaltsam
Der KulturOrt Wichern lädt zum Lachen – Komikzentrum 09/17
Es wird langsam „höchste Zeit“
Im Ebertbad, beim ZFR und im Dortmunder Spiegelzelt – Komikzentrum 08/17
Direkt von vor der Haustür
Ohne Klopp, dafür mit Hausmann, Schroeder und Malmsheimer – Komikzentrum 07/17
Alles „über die Verhältnisse“
In Dortmund beginnt das Festival RuhrHOCHdeutsch 2017 – Komikzentrum 06/17
Im Kampf gegen die „Arschlochdichte“
Jochen Malmsheimer am 24.5. im Essener Stratmann’s Theater – Bühne 05/17
Mit Finten und Finessen
„Ohne Rolf“, FiL und „Basta“ erzählen schräge Geschichten – Komikzentrum 05/17
Böse Pillen mit Prosecco
Thilo Seibel und Maria Vollmer mit klugen Bestandsaufnahmen – Komikzentrum 04/17
Junges Himmelfahrtskommando
Tahnee und Simon & Jan sorgen für frischen Aufwind – Komikzentrum 03/17
Eine Jandl/Schneider-Kreuzung
Jan Philipp Zymny erweist sich als echtes Original – Komikzentrum 02/17
Feiner Humor und rauchiger Bass
Barbara Ruscher und „die feisten“ begeistern – Komikzentrum 01/17