Der belgische Kurator Cis Bierinckx über Cyborgs, Roboter-Dirigenten und das tanzhaus NRW-Themenfestival „Hi Robot!“ in Düsseldorf.
trailer: Herr Bierinckx, Nam June Paik hat in den 1960ern mit „Robot K-456“ den ersten nicht-menschlichen Aktionskünstler der Geschichte gebaut. In Pinar Yoldas’ Kurzfilm „Kitty AI“ will 2036 eine künstliche Intelligenz in Form einer Katze die Weltherrschaft übernehmen. Denken Sie wirklich, dass ein Cyborg der Körper der Zukunft ist?
Cis Bierinckx: Nicht dass er der Körper der Zukunft ist, aber dass er Teil der Zukunft wird – davon bin ich fest überzeugt. Damit will ich nicht sagen, dass die Menschheit komplett verschwindet, aber wenn wir unser zeitgenössisches Leben und Arbeiten ansehen: die Roboter werden mehr und mehr, es wird automatisiert. Es wird mehr und mehr durch Hardware gemacht und wir können uns darauf vorbereiten, dass in 50 bis 100 Jahren Roboter unter uns laufen werden.
Steht hinter dem Technischen auch der Wunsch nach ewigem Leben?
Das ist schwer zu beantworten. Es ist immer ein Verlangen der Menschen gewesen, ewig zu leben, und sie suchen nach Möglichkeiten. Aber wir können unsere Leben nicht wesentlich verlängern und die Roboter sind immer noch abhängig von Menschen. Zumindest vorläufig sind sie noch in unseren Händen. Aber schon in „2001: Odyssee im Weltraum“ von Stanley Kubrick sieht man bereits wie eine Maschine eigentlich komplett die Macht übernimmt. In der Ausstellung geht es aber nicht nur um diese Angst, sondern auch um Lust. Natürlich müssen wir genau darüber nachdenken, wie weit wir damit gehen – und es ist auch überraschend, dass wir selbst fast nichts darüber wissen. In Japan kann man sehen, was es schon alles gibt und was möglich ist. Dort sind Roboter zum Beispiel Hilfsmittel für alte Leute, die gebrechlich oder dement sind. Aber sie werden natürlich auch im Krieg eingesetzt und das ist nicht positiv. Ich glaube nicht, dass wir mit den ethischen Grundsätzen da auf gleicher Höhe sind und deshalb brauchen wir wohl erst einmal Regeln.
Reden wir mal über das Festival und den „Metamarathon“. Wenn man die YouTube-Roboter-Videos von Boston Dynamics sieht, will man dann wirklich noch 42 Stunden mit denen verbringen?
(lacht) Das sind ja alles noch Prototypen, die stecken noch in der Entwicklung. Ich habe auch noch keine 42 Stunden mit einem springenden, halbmenschlichen Roboter verbracht, aber genau dafür müssen wir offen sein. Ich bin kein großer Verteidiger dieser Zukunft, aber das einzige was ich sehe, ist, dass es angefangen hat und wir das nicht mehr stoppen können. Ich bin sicher, dass diese Entwicklung rasant weitergehen wird.
Wird es auf dem Festival auch den Roboter-Dirigenten geben?
Ja, der Dirigent kommt. Das wird das Eröffnungskonzert des tanzhaus nrw-Festivals „Hi, Robot“. Der Abend findet im Robert-Schumann-Saal statt und heißt Scary Beauty und wird von Keiichiro Shibuyaund den Japanischen Philharmonikern Düsseldorf als Deutschlandpremiere bestritten.
Wird denn auch Nam June Paiks „Robot K-456“ zu sehen sein?
Nein, aber wir zeigen zwei Ausschnitte vom Originalfilm von Nam June Paik, wo man die Roboter in den Straßen spazieren gehen sieht. Nam June Paik war ja auch ein Aktionskünstler. Und er hat eigene Aktionen gemacht, auch einen Unfall mit den Robotern inszeniert. Und der Film zeigt auch das erste Mal, als er in New Yorkauf der Straße spazieren geht.
Das Festival findet an drei Orten statt, haben Sie einen Favoriten?
Nein, denn das Festival ist insgesamt eine große Geschichte. Darunter gibt es sehr unterschiedliche Formate: Performances, Konzerte, eine Ausstellung, Filmvorführungen. Es geht in erster Linie um das Nachdenken über die Zukunft und unser mögliches Zusammenleben mit Robotern. Dabei geht es allerdings nicht nur um Roboter, eher um Cyborgs, erst einmal auch in Form von Prothesen.Darüber hinaus wird es im Themenfestival über die Zukunft des menschlichen Körpers auch öffentliche Vorträge geben, die die darüber reflektieren, wie die neuen Körper denn nun werden sollen, aber auchwie diese Zukunft in unserer Gemeinschaft auftauchen soll. Ich finde schon, dass es diese Hilfsmittel für menschliche Körper geben sollte, damit man sie wieder zum Funktionieren bringt.
Und im tanzhaus nrw wird das Thema quasi mit Tanz reflektiert?
Das tanzhaus nrw organisiert das komplette Festival im März. Die Ausstellung „Körperwende“ und das Konzert sind alles Teile davon, diefinden nun in Kooperation mit dem NRW-Forum Düsseldorf und dem Black Box-Kino im Filmmuseum statt, initiiert durch das tanzhaus nrw.
Hi, Robot! Das Mensch Maschine Festival | 13.3. - 31.3. | tanzhaus nrw, NRW Forum, Filmmuseum/Black Box, Düsseldorf | 0211 17 27 00
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