Liebe kann so schön sein, und das ist sie auch – schön anzusehen, mehr dann aber auch nicht. So geht es zumindest Raymond und Kotini Junior, zwei liebestollen Clowns zwischen acht Damen, die ihnen nach Strich und Faden den Kopf verdrehen. Denn jede von ihnen begeistert die beiden mit atemberaubender Artistik und spektakulären Auftritten, nur um sie dann links liegen zu lassen. Nur die Henne schenkt den Clowns ihre Aufmerksamkeit und muss dafür mit deren ständiger Ablehnung leben.
Ein Huhn? Ja, ein Huhn. Wie sich das mit Clowns, hohen Absätzen, kurzen Kleidchen und nicht selten gefährlichen Performances vereinbaren lässt, zeigt seit dem 15. Januar das GOP Varieté-Theater in Essen. Das aktuelle Programm „Je t’aime – Eine Liebeserklärung!“ erzählt noch bis März die Leidensgeschichte der zwei männlichen Protagonisten im Liebeschaos. Liebeskummer wurde selten so fröhlich erzählt: Die acht Artistinnen und zwei Komödianten mit internationalem Hintergrund haben ein Programm mit viel Show und noch mehr Humor auf die Beine gestellt, bei dem die Geschichte nicht zu kurz kommt.
Comedy können Raymond und Kotini Junior ausgesprochen gut. Unterstützt werden sie dabei lediglich von ein paar raffinierten Lichteffekten und einigen Bühnenrequisiten. Am lustigsten macht sie aber ihre Art sich zu bewegen, zu reden und miteinander sowie mit dem Publikum zu interagieren. Entspannt, spontan und vor allem authentisch springen sie von einem Witz zum nächsten und lassen kaum Zeit für eine Atempause. Es ist schier unmöglich, mit den einsamen Clowns mitzufühlen. Das ist aber auch gar nicht nötig, denn voller Tatendrang sind sie gewillt, ihren Traum, eine hübsche Dame an ihrer Seite zu haben, niemals aufzugeben.
Jede der Artistinnen beherrscht ihr Handwerk bis zur Perfektion und strahlt Sicherheit und Selbstbewusstsein in ihrer Disziplin aus. Aus der ganzen Welt sind die Künstlerinnen angereist, um im Essener Varieté als Männertraum aufzutreten. Marina Sakhokiia aus Kiew, zweifache Europameisterin in der Akrobatik, präsentiert Figuren, die zum Teil fast schmerzhaft aussehen, auf eine stets sinnliche Art und Weise. Dabei stützt sie sich auf zwei Händen oder auch nur einer ab, während ihr Körper von der Schwerkraft befreit scheint, im Spagat oder in völlig neuen Positionen, und zeigt dabei erstaunliche Anmut und Weiblichkeit.
Als schwindelfrei beweist sich die finnische Zirkusartistin Rosa Tyyskä, die mit dem Roue Cyr, einem großen Stahlreifen, eine rasante Show darbietet. Ausdrucksvoll vollführt sie Kunststücke in dem Reifen, der sich in ständiger Bewegung befindet. Im Gegensatz dazu wirken die Bewegungen Aurélie Bruas zwischen zwei vertikalen Stangen fast schon bedächtig – wären da nicht ihr beeindruckend stabiler Körperbau und ihre starken Bewegungen in alle Himmelsrichtungen. Der notwendige Kraftaufwand lässt sich nur erahnen, wenn sie an den Stangen hinaufklettert und scheinbar leichtfüßig in der Luft tanzt. Im Duo treten die Kanadierinnen Shannon Gélinas und Evelyn Paquin-Lanthier auf. Sie teilen sich den stark begrenzten Platz am Duo Trapez. Die mehrfachen Preisträgerinnen sorgen für zahlreiches Raunen im Publikum und lassen so manchen Herzschlag kurz aussetzen, wenn sie hoch über dem Boden abenteuerliche Positionen darbieten. Vollstes Vertrauen setzen sie ineinander, wenn Shannon sich im Fall von Evelyne auffangen lässt.
Die Französin Charlotte de la Bretéque dürfte URBANATIX-Besuchern keine Unbekannte mehr sein. An den Multicordes, die sie selbst erfunden hat, zeigt die Künstlerin ohne jegliche Sicherung und ohne Schutz am Boden Artistik zwischen einem Wasserfall an schwingenden Seilen, die ihrer Darbietung ein optisches Alleinstellungsmerkmal verleihen. Weniger waghalsig ist die Performance von Mila Roujilo – keineswegs aber fällt sie gegen die anderen Artistinnen ab. Denn der Sprössling einer Moskauer Artistenfamilie beherrscht gleich zwei Disziplinen wie keine andere: Mila bietet eine fröhliche und beeindruckende Show mit so vielen Hula Hoop-Ringen, dass sie nicht mehr zählbar sind, und jongliert mit acht Bällen gleichzeitig – eine Fähigkeit, die Ihresgleichen sucht.
Und natürlich gibt es noch das Huhn. Sein Name ist Lisa Pauton, es kommt aus Toulouse und ist nicht nur Huhn, sondern auch begnadete Akrobatin. Die Artistin sorgt mit ihrer urkomischen und überraschend überzeugenden Darstellung einer Henne nicht nur für ebenso viele Lacher wie die beiden Clowns an ihrer Seite, sondern beweist sich ohne jegliche Hilfsmittel als Alleinunterhalterin mit Comedy und Kontorsion.
Es darf gelacht und gestaunt werden bei „Je t’aime – Eine Liebeserklärung!“, denn die perfekte Mischung aus Witz und Akrobatik sorgt für ein unvergessliches Varieté-Erlebnis. Das Programm findet schon jetzt großen Anklang; die Karten für die Valentinstagsvorstellung sind trotz Karneval fast restlos ausverkauft.
Je t'aime – Eine Liebeserklärung! | bis So 1.3. Mi + Do 20 Uhr, Fr + Sa 18 + 21 Uhr, So 14 + 17 Uhr | GOP Varieté-Theater Essen
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