Die Jugend von heute ist in den blinkenden Social-Media-Welten von Whatsapp, Instagram und Snapchat zu Hause. Facebook? Was für alte Säcke! Twitter? 280 Zeichen – eindeutig zu textlastig. Mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Eichhörnchens auf Koks swipen, clicken, tippen sich die nachfolgenden Generationen durch die Virtualität, als gäbe es kein analoges Morgen mehr. Selbstvergessen, egoistisch, unpolitisch. – Sind wir aber ganz ehrlich, hätte und hat es das doch früher schon gegeben. In meiner Jugend war die CD, DVD und später das MP3-Format der neuste heiße Scheiß, per ICQ konnte ich erstmals mit Menschen rund um den Globus chatten (die sich dann nach stundenlangen Konversationen auf Englisch als Nachbarn aus Duisburg entpuppten) und einen Eindruck von der großen weiten Welt erhaschen, die da draußen lockt und lauert.
Dieses „da draußen“ hält sich der Virtualität zum Trotz recht hartnäckig und Menschen, die heute in einer immer unübersichtlicher werdenden Gegenwart und konfrontiert mit einer ungewissen Zukunft heranwachsen, müssen lernen, sich darin zurechtzufinden. Dabei stellen sie ganz eigene (Hypo)Thesen über die Wirklichkeit auf, wie eine Umfrage unter Jugendlichen zu deren Selbstwahrnehmung, Weltanschauung und Wünschen durch das freie Theaterkollektiv TOBOSO ergab. Die dabei herausgekommene Polyphonie zeugt davon, dass „unsere Jugend“ weit mehr reflektiert als das Selfie auf der Oberfläche ihrer Smartphones. Die Aussagen der Jugendlichen dienen als Grundlage für das Stück „SEINS.fiction“ dessen Ziel es ist, diese sicht- und hörbar auf die Bühne zu bringen. Da geht es um Gewissheiten und Utopien, um Ideale und unerfüllbare Sehnsüchte, die die Jugend umtreibt. TOBOSO vermittelt so eine Momentaufnahme in eine vergängliche Gefühlswelt. Denn nie wieder sind wir so empfänglich, verletzlich und leidenschaftlich wütend gegenüber der Welt, die uns umgibt, wie in der Pubertät. Die Gesellschaft durch die Augen von Jugendlichen zu sehen erschließt den Älteren neue Perspektiven.
Ein Einblick in die Weltanschauung einer Generation, die weit mehr zu sagen hat als „lol“.
SEINS.fiction | R: Fabian Sattler | Maschinenhaus Essen: 1.2.(P), 3.2. 20 Uhr, 4.2. 18 Uhr | Theater Duisburg: 26.2. 19.30 Uhr, 27.2. 11 Uhr | www.seins-fiction.com
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