Zum allerersten Mal präsentiert das Märkische Museum ein Best-of aller Expressionismus-Werke aus der eigenen Sammlung. Das Konvolut kann sich sehen lassen: rund 150 Gemälde und Druckgrafiken von 32 Künstlern und 5 Künstlerinnen, viele frisch restauriert und nun thematisch gruppiert auf beiden Ausstellungsetagen. Die Zeit dafür war reif: Was Künstler in der ersten Hälfte des 20. Jh. zum Schaffen drängte, ist heute unter anderen Vorzeichen wieder topaktuell – Kriege, Wirtschaftskrisen, gesellschaftliche Verwerfungen, ungezügelter Hedonismus neben bitterster Not, Großstadtleben versus Landleben und die Liebe zur Natur. Und mittendrin der Mensch mit seinen Emotionen. Ausdrucksstarke Bilder entstanden mit kräftigen Farben, impulsivem Strich und harten Kontrasten, mit Formen und Figuren, die weniger der sichtbaren Realität entsprachen als dem inneren Empfinden. Die Künstler malten sich frei. In der Wittener Ausstellung bezaubern und berühren nicht nur Stars wie Kirchner, Nolde, Grosz, Dix, Heckel, Gabriele Münter oder Käthe Kollwitz, sondern auch westfälische Expressionisten, darunter z.B. die Soester Wilhelm Morgner und Eberhard Viegener mit ihren kraftvollen Holzschnitten und der Hagener Bildhauer Karel Niestrath mit der „Hungrigen“.
Die Präsentation wirkt frisch und modern. Hingucker sind die dynamische Wandgestaltung und XXL-Beschriftung. Am Beispiel der feurigen „Zirkusreiter“ Pechsteins werden Fragen zu Herkunft und Restaurierung erläutert. Skulpturale Aufsteller im Raum vermitteln knapp den historischen Background – und für Spielkinder gibt es eine AR-App, die einzelne Bildmotive animiert.
Den Gegenwartsbezug betont zeitgenössische Fotografie, dezent beigemischt, ohne den Expressionisten die Schau zu stehlen. Acht Themenbereiche, acht fotografische Positionen – der Medienbruch trennt auf einen Blick Historisches und Aktuelles. Eine clevere kuratorische Lösung. Zirkusaufnahmen vonMarie-JoLafontaine(1991), Kriegsimpressionen von Anja Niedringhaus, sensible Porträts vonAino Kannisto und Ira Vinokurova,Andreas Rosts Silvester- und Love-Parade-Fotos kommentieren die historische Kunst. Dass Großstadtarmut auch heute noch bittere Realität ist, zeigenAngusBoultonsAufnahmen von provisorischen Pappkarton-Verschlägen der Obdachlosen auf Londoner Straßen.
Was zum Schaffen drängt … Der Expressionismus und seine Folgen | bis 7.4. | Märkisches Museum Witten | 02302 581 2550
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