trailer: Herr Muschick, warum gibt RWE der Kulturhauptstadt Geld?
Stephan Muschick: Wir fühlen uns als Teil der Region. Das Ruhrgebiet ist mit RWE gewachsen und RWE durch das Ruhrgebiet. Deshalb sehen wir uns in der Verpflichtung, diese große Chance RUHR.2010 zu unterstützen. Wir erhoffen uns natürlich auch, dass ein bisschen Glanz auf uns zurückfällt.
Kritiker des Sponsorings sagen ja, dass der Weg des Geldes über Steuereinnahmen hin zu öffentlicher Kulturförderung demokratisch legitimierter ist als private Kulturförderung, deren Ausrichtung von Firmen abhängig ist.
Warum ist es undemokratisch, wenn ein Unternehmen, das in der Region ansässig ist, die Kulturhauptstadt unterstützt? Jeder Sponsor, und da können Sie die Verantwortlichen von RUHR.2010 auch fragen, ist dort willkommen.
Ein Highlight des kommenden Jahres wird das Ruhr-Atoll sein. Was wird auf dem Baldeneysee geschehen?
Das Ruhr-Atoll auf dem Baldeneysee besteht aus vier künstlichen Inseln. Diese Inseln sollen sich künstlerisch mit den Themen Energie und Klima auseinandersetzen. Deshalb haben wir uns auch mit diesem Projekt verknüpft. Die Künstler machen übrigens, was sie wollen. Wir geben nicht vor, wie die Inseln gebaut werden.
Es soll mitunter ein Eisberg auf dem See schwimmen. Trifft sich das mit der Strategie der RWE, mehr auf regenerative Energien zu setzen?
Natürlich setzt sich RWE mit dem Klimawandel auseinander. Wir investieren viel Geld in erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz. Deshalb finden wir es gut, wenn sich ein Kunstwerk auf sehr appellvolle Art mit diesem Thema auseinandersetzt.
Sogar ein mit Wasserstoff betriebenes Personenschiff soll dann auf dem See verkehren und die Inseln anfahren?
Dies geschieht im Rahmen der Welt-Wasserstoffkonferenz, die im Mai 2010 in Essen stattfindet. Dort sind wir Hauptsponsor.
Aber Sie erzeugen weiterhin auch Strom mit Kohle?
Ja. Aber auch dort ringen wir auf vielerlei Weise um klimafreundliche Lösungen.
Vielleicht hilft Ihr Engagement auch, dass die RWE-Kunden nicht zu Ökostromanbietern abwandern?
Das ist nicht die primäre Triebkraft. Wir wollen die Kulturhauptstadt fördern und nehmen dafür auch große Summen in die Hand. Deshalb unterstützen wir Themen, die einen Bezug zu unserem Unternehmen haben. Dieser Ansatz soll natürlich auch bei unseren Kunden gut ankommen.
Kann ein Konzern durch Kultur auch beeinflusst werden? Kann er durch Kultur lernen? Kann die Kultur ein so großes Unternehmen wie RWE überreden, aus dem Karbonzeitalter auszusteigen?
Wir wollen niemanden überreden, lassen den Künstlern ihre Freiheiten, aber wir lassen uns wahrscheinlich auch von Künstlern nicht überreden. Trotzdem, und das merken wir in vielen unserer Kunstengagements, ist die Begegnung zwischen Kultur und Wirtschaft äußerst spannend. Es gibt da natürlich Reibung. Aber vor allem kann man voneinander lernen, dass verschiedene Sichtweisen legitim sind und jeder auf seine Art an Lösungen arbeitet. Es wäre naiv zu glauben, dass ein einzelner Eisberg auf dem Baldeneysee RWE dazu bewegen würde, das Erzeugungsportfolio grundlegend zu verändern. Da wirken viele Faktoren zusammen.
Gibt es Beispiele des gegenseitigen Lernens?
Vorbildlich ist unsere inzwischen zehnjährige Zusammenarbeit mit dem Museum Folkwang. Wir unterstützen mit dieser Kooperation die zeitgenössische Kunst. Bis Anfang des Jahres war in unserem Turm eine Ausstellung von Attila Csörgö zu sehen. Dieser ungarische Künstler hat sich mit Kreativität und Innovation auseinandergesetzt. Wir haben unsere Ingenieure mit diesem Künstler bei einer Veranstaltung diskutieren lassen. Wir haben gefragt, was Kunst und Wirtschaftswissenschaft voneinander lernen können? Das war für alle Beteiligten sehr spannend.
Und ist wahrscheinlich auch sinnvoller, als wenn große Popstars bei Ihrem Betriebsfest spielen würden?
Das weiß ich nicht. Es gibt immer mehrere Aspekte beim Sponsoring. Will ich zum Beispiel einen Fußballverein unterstützen, werde ich einerseits durch die Bandenwerbung bekannter. Mitarbeiter und Kunden kann ich außerdem in die Loge schicken. Aber ich gebe als Unternehmen auch der Gemeinschaft etwas, indem ich mit dem Sponsoring die Jugendarbeit dieses Vereins unterstütze.
Laden Sie also demnächst – wie ein bekannter Autobauer aus Braunschweig – die Rolling Stones ein?
Nicht unbedingt. Aber wenn einer unserer Mitarbeiter an einem Wochenende im Sommer 2010 mit seinem Besuch aus Niederbayern ins neue Museum Folkwang geht und zeigen kann, was dort auch mit Unterstützung seines Unternehmens gemacht wird, nämlich eine wunderbare Fotoausstellung über die Stars der Rockmusik, ist das eine gute Sache.
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