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Birlikte auf der Kölner Keupstraße
Foto: Thomas Bläsen

Zukunft geht nur gemeinsam

16. Juni 2015

Neue Ausgabe des Birlikte-Festivals in Köln-Mülheim – Spezial 06/15

Diesmal, am vergangenen Sonntag, gab es keinen Abbruch des Birlikte-Festivals wegen eines heranstürmenden Unwetters. Im Gegenteil: Wohl auch der strahlend blaue Himmel und die munter brutzelnde Sonne lockten derart viele Menschen auf die Keupstraße und ins Köln-Mülheimer „Schanzenviertel“, dass Polizei und Sicherheitskräfte sich kurzzeitig gezwungen sahen, den Zugangsverkehr zum Festivalgelände zu regulieren. Über 70.000 Besucher haben das Birlikte 2015 besucht, schätzen die Veranstalter. Damit wurden die Besucherzahlen der zweitägigen Premiere im Vorjahr auch mit einem auf einen Tag reduzierten Festival erreicht.

„Vielleicht haben wir die Besucherzahl aus dem Vorjahr am gestrigen Tag sogar leicht übertroffen“, mutmaßte Nicola von Jenisch, Pressesprecherin vom Schauspiel Köln. Das Schauspiel Köln ist nur einer von vielen Mitveranstaltern des Birlikte-Festivals. Gemeinsam mit der IG Keupstraße, der Stadt Köln, dem Bündnis „Arsch huh, Zäng ussenander“ und weiteren Partnern hatte man mit dem Birlikte-Festival im vergangenen Jahr bereits ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt. 2014 jährte sich der Nagelbombenanschlag des NSU in der Keupstraße zum zehnten Mal. Anlässlich des traurigen Jubiläums sollte bewusst fröhlich gefeiert und so für ein friedliches Miteinander demonstriert werden. Neben dem Gedenken wurde 2015 noch ein weiterer Aspekt in die Agenda des Festivals aufgenommen. „Auch wegen aktueller Tendenzen wie Kögida und Pegida haben wir das Thema Flüchtlinge miteinbezogen. Nicht zuletzt aber auch wegen der generellen verheerenden Flüchtlingspolitik der vergangenen Jahre“, beschrieb es von Jenisch.

Die ganz großen Namen wie Udo Lindenberg oder die Fantastischen Vier lockten in diesem Jahr nicht, umso mehr Aufmerksamkeit wurde dem Rahmenprogramm zuteil. Dies war so umfangreich, dass die Besucher wegen zeitlicher Überschneidung und der Weite des Festivalgeländes nicht jede Veranstaltung besuchen konnten, sondern eine Auswahl treffen mussten. Dabei zeigte sich das Festivalareal im Vergleich zum Vorjahr bereits leicht verkleinert, weshalb sich die gute Stimmung umso mehr vor den zwei neuen Hauptbühnen konzentrierte.

Hier rockten vor allem Musiker aus Köln das Publikum, zum Beispiel Cat Ballou, Kasalla, Brings und Eko Fresh. Jenseits der großen Bühnen präsentierten sich die Keupstraße und die direkte Umgebung mit einem vielfältigen kulturellen und kulinarischen Angebot. Grillgeruch lockte die Besucher in die Restaurants, in der Keupstraße waren nicht nur am Eingang, sondern auch zwischendurch kleine Bühnen aufgebaut, auf denen sich folkloristische Musik sämtlicher Couleur mit Hip-Hop mischte. Hinter den Ständen, in den Hinterhöfen der Geschäfte, entfaltete das Kulturprogramm eine einzigartige Atmosphäre. Auch das Schauspiel Köln und die Schanzenstraße präsentierten tolle Angebote und interessante Veranstaltungen.


Rapper Duo auf einer kleinen Bühne auf der Keupstraße in Köln-Mühlheim
Foto: Thomas Bläsen

Im Depot 2 verwickelte der Journalist Joachim Frank (KStA) den Schriftsteller Navid Kermani und den Cap-Anamur-Mitbegründer Rupert Neudeck in einen lebhaften und leidenschaftlichen Dialog über die Flüchtlingsthematik. Vorher führten drei Schauspieler des Ensembles vom Schauspiel Köln einen Auszug aus dem dokumentarischen Stück „Asylmonologe“ auf, das Interviews mit Menschen verarbeitet, die als „illegale Einwanderer“ gelten.

Berührend und intensiv war der knapp 15-minütige Auszug aus dem für 90 Spielminuten angelegten Stück auch durch die geschickte Bündelung. Geschildert wurde schlaglichtartig die leidvolle Fluchtgeschichte eines kurdischen Aleviten, dessen Asylantrag letztlich wegen – allem Anschein nach absichtlich konstruierten – Übersetzungsfehlern abgelehnt wurde. „Ich bin von einem Gefängnis ins andere – und um mich herum reden alle über Integration“, so ein treffender Satz aus dem Stück.

Damit der düsteren Stimmung nicht genug, auch Kermani und Neudeck zeichneten zu Recht ein sehr bedrückendes Bild von der aktuellen Flüchtlingspolitik. Das Thema Frontex durfte da nicht fehlen, aber man war letztlich bemüht, Möglichkeiten aufzuzeigen, was man selber tun kann, wenn die Regierungen in Europa kollektiv versagen. „Cap Anamur wurde zum Beispiel unterstützt von meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Vielleicht bin ich deshalb trotz allem ein heilloser Optimist, denn ich glaube, dass man etwas verbessern kann. Vielleicht muss man manchmal auch einfach Dinge tun, die die Politik nicht will“, äußerte sich Neudeck im Rahmen der Veranstaltung.


Joachim Frank und Navid Kermani im Gespräch mit Rupert Neudeck von Cap Anamur
Foto: Thomas Bläsen

„Ein gutes Zeichen ist auch zum Beispiel, dass es Initiativen gibt von Menschen, die sich beim Bau eines Flüchtlingsheims nicht dagegen aussprechen, sondern ihre Unterstützung anbieten. Das habe ich nicht nur in Städten wie Köln erlebt und gehört, sondern das ist ein deutschlandweites Phänomen“, so Kermani. Initiativen wie die von Kermani angesprochenen präsentierten sich auch auf dem Birlikte Festival.

Dabei waren nicht nur Mülheimer Initiativen wie das Bürgerhaus „Die Mütze“, sondern auch die „Rheinflanke“, die mit ihrem „Tourbus“ momentan Flüchtlingsunterbringungen in Köln besuchen – und dort ein sportlich-pädagogisches Programm für die Kinder und Jugendlichen anbietet. Mit Jürgen Becker bekamen Kaziwah Ahmadi und Stephan Hülsmann im Rahmen des Birlikte-Festivals einen bekannten Fürsprecher, der die Aktion erfolgreich mit typisch Beckerschem Humor bewarb. „Wir finanzieren uns natürlich über Spenden, Stiftungen und Sponsoren“, so Ahmadi. „Aber bis zum nächsten Jahr können wir unsere Arbeit schon einmal weiter aufrecht erhalten“, ergänzte Hülsmann.

Wie es indes um die Zukunft von Birlikte 2016 aussieht, ist derzeit noch ungewiss. „Noch ist nichts spruchreif – und alles relativ unsicher. Aber das war es in diesem Jahr auch schon“, äußerte sich von Jenisch vom Schauspiel Köln über die Aussichten, ob es in Mülheim auch 2016 ein weiteres, friedliches „Zusammenstehen, Zusammenleben“ beim Birlikte geben wird.

Thomas Bläsen

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