Seine Bilder haben etwas archaisches, universell typologisch Einfaches. Manchmal erreichen den Besucher vielleicht Assoziationen von Aborigines-Traumzeit-Kunst weitab vom europäischen Kunstschaffen, einiges erinnert an Kinderbilder über wilde Natur und ihre Fabelwesen. Das Museum Bochum stellt momentan einen in Deutschland eher unbekannten Vertreter der Art Brut aus, einer von Jean Dubuffets kunsttheoretischen Anschauungen 1948 initiierten Kunstkategorie. Die sogenannte „rohe“, autodidaktische Kunst umfasst Laien ohne künstlerische Ausbildung, Kunst von gesellschaftlichen Außenseitern und später auch die lange vor Dubuffet von Walter Morgenthaler oder Hans Prinzhorn als Kunstwerke erkannten Arbeiten von Geisteskranken.
Anselme Boix-Vives, kam 1917 als ungebildeter, mittelloser Hirtenjunge aus Spanien nach Savoyen in Frankreich, wurde dort erfolgreicher Gemüse- und Lebensmittelhändler und begann im Ruhestand zu malen. Sieben Jahre lang dauerte sein fast manischer Drang zur Weltrettung durch Kunst. Fast 2.500 Gemälde sind entstanden, wer rechnen kann, kommt also im Mittel auf rund eine Arbeit pro Tag. Auslöser war sicher auch, dass Papst, UN und viele Politiker seine Ideen für einen weltweiten Frieden nicht beachteten. Das brachte seine optimistischen Visionen eines bunten Welten-Kosmos eben auf Papier und Leinwände – und Kurator Sepp Hiekisch-Picard zur Aufgabe, das umfangreiche Œuvre in die erste Etage des Bochumer Museums zu installieren; angesichts des Umfangs keine leichte Aufgabe. Zwischen Aquarellen und Skizzenbüchern in Vitrinen, Video und einer Petersburger Hängung im zentralen großen Raum entdeckt der Besucher nun nicht nur die „Böse Fliege“ (Gouache auf Papier, 1962), die an die Physiognomie eines Primaten erinnert oder aus dem selben Jahr die sieben Zwerge, die zur Arbeit gehen (Gouache auf Papier, aus der Schneewittchen Serie), er entdeckt auch das große Tafelbild mit dem bunten Bischof in bunter Amtstracht vor schneeweißem Altar mitten in bunter Natur (Ripolin-Lack auf Holz, 210x125cm, 1966), das ziemlich dominant die Rückwand füllt. Die Ausstellung glänzt mit überbordender Vielfalt und einem klaren Konzept aus dem Grundstock der Sammlung seiner Enkelkinder Julia und Philippe Boix-Vives.
Malerei für den Frieden | bis 7.11. | Kunstmuseum Bochum | 0234 910 42 30
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der Künstler als Vermittler
Frank van Hemert in der Otmar Alt Stiftung in Hamm-Norddinker – kunst & gut 10/24
„Die jüdische Renaissance ist nicht so bekannt“
Museumsleiterin Kathrin Pieren über „Shtetl – Arayn un Aroys“ im Jüdischen Museum in Dorsten – Sammlung 08/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24
Einfach mal anders
Das stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen geht eigene Wege – Festival 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Diplomatie kreativ
Ingo Günther im Kunstverein Ruhr in Essen – Ruhrkunst 02/24
Zur Liebe
„love/love“im Künstlerhaus Dortmund – Ruhrkunst 09/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Kunst kommt zum Publikum
bobiennale vom 11 bis 21. Mai in Bochum – Festival 05/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Auf Augenhöhe
Deffarge & Troeller im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/25
Vorm Zeitpunkt der Aufnahme
Jörg Winde im MKK in Dortmund – kunst & gut 01/25
Runter von der Straße
Graffiti-Künstler im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 01/25
„Wichtig ist für ihn die Ästhetik der Kabel“
Kuratorin Felicity Korn über „Echo“ von Elias Sime im Düsseldorfer Kunstpalast – Sammlung 01/25
Die Dinge ohne uns
Alona Rodeh im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 12/24
Strich für Strich
„Zeichnung: Idee – Geste – Raum“ in Bochum – Ruhrkunst 12/24
Im Einklang mit der Natur
„Henry Moore – For Duisburg“ im Duisburger Lehmbruck Museum – kunst & gut 12/24
„Kein Staub, aber ganz viel Frisches“
Leiter Nico Anklam über die Ausstellung zu 75 Jahren Kunsthalle Recklinghausen – Sammlung 12/24
Aus zwei Sammlungen
Das frühe 20. Jahrhundert im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 11/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
„Mangas sind bei der jungen Leserschaft die Zukunft“
Leiter Alain Bieber über „Superheroes“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 11/24