„Diplomatie“ – wie lässt sich dieser abstrakte Begriff, den man bestenfalls mit geheimen Verhandlungen in Hinterzimmern verbindet, mit Bildern füllen? Dieser Frage widmet sich der Konzept- und Medienkünstler Ingo Günther, auch, um in Kriegs- und Krisenzeiten positive Impulse zu setzen. In seiner humorvoll beschwingten, dabei hochästhetischen Präsentation visualisiert er pfiffige Finten und Strategien rund um die Bemühungen um friedliche Konfliktlösungen – allesamt basierend auf realen Ereignissen der Weltgeschichte.
Ingo Günther, geboren 1957, ist künstlerischer Grenzgänger: Wie ein investigativer Journalist erforscht er für seine Projekte (gesellschafts-)politische Themen und setzt seine Erkenntnisse mit jeweils unterschiedlichen Medien und Materialien künstlerisch in Szene, in Ausstellungen weltweit. Seine Installation „Diplomachine“ verwandelt den abgedunkelten Kunstvereinsraum in eine Schatzkammer. Vor grauen Wänden baumeln etwa handgroße Objekte von der Decke herab: Tisch, Flugzeug, Kaffeebecher, Tischtennisschläger, Badewanne, Elefant, allesamt Miniskulpturen in Modellgröße aus dem 3D-Drucker und mit Goldfarbe überzogen. Spotlights setzen sie einzeln effektvoll in Szene – als wertige, Ding gewordene Essenz einer teils brenzligen Krisensituation und ihrer diplomatischen Entschärfung. Und da Diplomaten auch nur Menschen sind, im Rudel mitunter ein ziemlicher Kindergarten, sind die Geschichten oft unglaublich komisch. Sie sind fester Bestandteil der Arbeit, vor Ort abrufbar via QR-Code.
Günthers Präsentation macht Diplomatie lustvoll sichtbar und hält 13 Ereignisse in Erinnerung. Den albernen Flaggen-„Wettkampf“ zwischen Unterhändlern im Koreakrieg z. B. Oder die Sache mit dem Durchhaltevermögen: Wer zuerst zur Toilette muss, verliert sein Gesicht (Stiefel mit Katheder). Oder die Groteske im Washingtoner Außenministerium: Die arabische und die israelische Delegation kamen erst miteinander ins Gespräch, als sie einstimmig über die servierte amerikanische Kaffeeplörre schimpften. Ein Highlight sind die „beredten“ Broschen der US-Außenministerin Madeleine Albright: Schildkröte, Wanze, Skorpion waren nonverbale Hinweise an ihre Verhandlungspartner. Zu welcher Gelegenheit sie die Panzerfaust-Brosche trug, bleibt allerdings topsecret.
Ingo Günther: Diplomachine | bis 25.2. | Kunstverein Ruhr, Essen | 0201 22 65 38
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