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Ein Regisseur für großartige Bilder: Noch im Spielplan: MARIA STUART, auch im Wuppertaler Opernhaus
Foto: Uwe Stratmann

„Das ist ja eine gigantische Anarchie, die da herrscht.“

27. März 2014

Shakespeares „Viel Lärm und Nichts“ im Opernhaus Wuppertal – Premiere 04/14

Der Tanz in den Ruinen einer großen Vergangenheit ist in Wuppertal vorbei. Eine Stadt hat sich sein Schauspielhaus aus dem Fleisch geschnitten. Damals kamen noch Heroen wie Heinrich Böll in die Stadt und hielten große Reden. Heute faseln nur noch kleine Geister. Das Theater ist seit einem Jahr geschlossen. Intendant Christian von Treskow macht nun im April seine letzte Premiere im Opernhaus. Immer noch stolz auf das Erreichte und die hohe künstlerische Qualität seiner Arbeit. Fünf Jahre lang hat er sein Ensemble und den Etat gehalten, trotz dauerhafter Kritik und Einsparungsandrohungen. Jetzt also Shakespeares „Viel Lärmen um Nichts“ mit immerhin acht Intrigen. Ein Schelm, der dabei Böses denkt.

trailer: Herr von Treskow, acht Intrigen, 15 Personen – ein Stück für ein ganzes Ensemble?
Christian von Treskow:
Naja, das Ensemble sind ja im Moment nur acht Schauspieler. Aber wir haben es um einen Sänger und drei Gäste verstärkt. Dann sind so an die zwölf Akteure auf der Bühne. Das ist für Wuppertal schon viel und schon mehr als das ganze Ensemble.

Was ist ihre Lärm-Deutung?

Christian von Treskow
Foto: Presse
Christian von Treskow, geboren in Wolfenbüttel, studierte von 1989 bis 1992 Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Albertus-Magnus-Universität Köln und arbeitete währenddessen als Regieassistent, u.a. am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. 1992 folgte ein Regiestudium an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« Berlin. Nach seinem Diplom 1996 ging er für eine Spielzeit als Hausregisseur ans Deutsche Theater Berlin und leitete dort mit Thomas Ostermeier die Spielstätte »Baracke«. 1997 gründete er in Berlin die freie Gruppe »Theater Oklahoma«. Ab 1998 folgte eine langjährige Tätigkeit als freischaffender Regisseur an deutschsprachigen staatlichen Bühnen sowie in Frankreich und der Schweiz. Seit Beginn der Spielzeit 2009/10 ist er Schauspielintendant der Wuppertaler Bühnen.Foto: Dorien Thomsen

Um es auf einen Punkt zu bringen: Es geht in dem Stück um alles und um nichts. Und weil es ums Nichts geht, geht es auch um alles. Scheinbar geht es nur um Liebesintrigen. Aber dadurch, dass das Stück immer haarscharf an der Tragödie vorbeischrammt, geht es eigentlich auch immer ums Ganze, die ganze Existenz. Damit ist es eine Metapher fürs menschliche Dasein schlechthin. Natürlich auch für unser Dasein hier in Wuppertal. Zu einer Zeit, wo es um alles ging und eigentlich auch um nichts. Weil vom Theater am Schluss nichts bleibt. Genau wie vom Leben am Schluss auch nichts bleibt. Das ist der Hintergedanke, es als letzte Inszenierung zu machen.

Also hat das Lärmen tatsächlich mit Wuppertal zu tun?
Nicht so direkt. Eigentlich hat das Lärmen nicht so viel mit Wuppertal zu tun. Ich würde jetzt auch keinen Bezug zu einer bestimmten Intrige sehen. Die andere Sache ist, dass ich mich hier gerne mit einer Shakespeare-Komödie verabschieden würde. Ganz platt gesagt, für das Publikum, das uns in den letzten zwei Spielzeiten doch stark unterstützt und die Stange gehalten hat.

Wie integriert man Filmmusik in eine Theaterinszenierung?
Es ist eine Theatermusik. DieKorngold-Musik ist eigentlich für die Aufführung von Max Reinhardt in Wien geschrieben. Also diese „Viel Lärm um Nichts“ von 1918. Da gibt es eine Aufnahme, in der eigentlich ziemlich genau ablesbar ist, wie diese Musik gedacht ist. Zum Teil melodramatisch, zum Teil als Szenenwechsel, es gibt eine Ouvertüre und viel Atmosphäre. Insgesamt sind das so 25 Minuten Musik. Die Inszenierung wird zwei Stunden dauern. Es gibt also nicht die ganze Zeit Musik. Wobei man sagen muss, Korngold ist später als Filmmusiker bekannt geworden, hat aber als Theater- und Opernkomponist angefangen, bevor er emigrieren musste.

Folgt Christian von Treskow dann Wolfgang Korngold oder umgekehrt?
Die Inszenierung wird nicht so sein, dass man denkt, die ist von Max Reinhardt. Das natürlich nicht. Und die Musik ist ja bis auf eine Gesangsnummer nicht durchkomponiert, es gibt also keine Anhaltspunkte wie in der Oper, wo man sagen müsste, die Inszenierung folge der Musik. Die kann man bei Korngold so einsetzen, wie man sie für richtig hält. Da gibt es keine Vorschriften vom Komponisten.

Aber dafür gibt es dann ein Bühnenbild in Cinemascope?
Nicht unbedingt. Ich möchte ja nicht zu viel verraten. Aber das Stück wird von Messina, 15. oder 16. Jahrhundert, in die Gegenwart verlegt oder in eine imaginäre Realität. Um es vielleicht etwas weniger kryptisch auszudrücken: wir haben eines. Das Stück folgt in seiner Personenkonstellation ja dem Schemata der Commedia dell'arte. Shakespeare schrieb hier ein Stück für jenes Figurenensemble. Wir haben nun überlegt, wie man diese italienische Volkskomödie in die Gegenwart bringt. Das war der Hintergrund. Ich habe das ja schon beim Diener zweier Herren versucht, das ist so ein wiederkehrendes Thema für mich, die Commedia-Masken in die Gegenwart zu transportieren. Was noch hinzukommt, ist das Music Hall Clownsspiel. Ein bisschen die Erben der alten Komödie, die sich zum Teil aus dem Jahrmarktstheater ableiten. Diese ganze volkstümliche Unterhaltung, alles spiegelt sich darin wieder. Das ist im Stück enthalten, aber romantisiert von unseren deutschen Romantikern im 19. Jahrhundert und soll jetzt in der Inszenierung wieder auf die ursprüngliche Komödie mit Schein, Täuschungen und Intrigen zurückgeführt werden. Denn das ist ja eine gigantische Anarchie, die da herrscht.

Schein, Täuschungen und Intrigen bleiben auch nach Jahren als Intendant?
Wenn man das so sehen will. Vor allen Dingen mehr Schein als Scheine. Ja, das ist ein Vergleich der nahe liegt. Ich habe das so noch gar nicht gesehen. Wenn man es abstrakt betrachtet, natürlich, viele Intrigen, wobei die Intrigen im Stück ja eher lieb gemeint sind, bis auf die eine, wo Hero verleumdet wird. Die anderen sind ja dazu da, um Leute miteinander zu verkuppeln. Das klappt dann auch mehr oder weniger, bis auf die eine ganz maßgebliche Intrige, wo jemand ans Messer geliefert wird, aber nur deswegen überlebt, weil er sich scheintot stellt. Das ist eine pikante Angelegenheit, aber daran habe ich bei der Stückauswahl nicht gedacht, das ist ein ganz nettes Geschmäckle.

Was wird aus dem Wuppertaler Theater?
Das kann man schwer sagen. Wenn man das Theater differenziert in Oper und Schauspiel, dann muss man das auch getrennt von einander betrachten. Die Oper ist jetzt auf dem Weg in die große Internationalität, wird aber an Bodenständigkeit ohne eigenes Ensemble verlieren. Beim Schauspiel kann man nicht viel sagen, es ist für mich unverständlich, warum im Großen Haus nicht mehr gespielt werden soll. Aber ich denke, das wird sich mit der Zeit auch wieder einrenken. Da werden sie selber draufkommen, dass man hier in Wuppertal in einer 350.000 Einwohner Stadt ohne das Große Haus nicht unbedingt Theater machen kann. Ein kleines Haus reicht nicht. Ansonsten ist es erst mal gut, dass es überhaupt Theater in Wuppertal gibt. Wie das dann im Einzelnen aussieht? Wir sind alle gespannt.

Haben Sie schon Pläne für die Zukunft?
Pläne schon, aber die liegen noch ein bisschen in der Zukunft. Bis 2015/16 werde ich erst mal das machen, was ich vorher auch schon gemacht habe, nämlich als freischaffender Regisseur arbeiten.

„Viel Lärmen um Nichts“ | R:Christian von Treskow| Sa 26.4., 19.30 Uhr | Opernhaus Wuppertal | 0202 563 76 66

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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