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Matthias Heße
Foto: STM

„Eine Sitcom auf LSD“

05. April 2019

Matthias Heße inszeniert in Moers „Illuminatics“ – Premiere 04/19

trailer: Herr Heße, wird das Geheimnis der Zahl 23 jetzt endlich gelüftet?
Matthias Heße: Wir haben eine öffentliche Leseprobe gemacht, da haben wir das Geheimnis der Zahl 23 gelüftet. Uns wird es trotzdem ein Geheimnis bleiben und es kommt noch eine 24 dazu – so viel kann ich schon mal spoilern. Die wahre Geschichte von der 23 ist, dass William S. Burroughs Robert N. Wilson mit dieser selektiven Wahrnehmung angesteckt hat und der alles, was er mit 23 gefunden hat, in den Roman „Illuminatus!“ eingewoben hat.

Welche nur scheinbar grotesken Schriften liegen dem Konzept denn noch zugrunde?
Neben der „Illuminatus!“-Trilogie greifen wir noch auf die deutsche Romantik, also Novalis, Hölderlin und Bonaventura zu und wir haben aus den 1980er Jahren der Bundesrepublik Texte von Jörg Fauser dazu genommen, insbesondere dessen berühmte Essays über den Zustand der Republik. Mit ein paar kleinen Veränderungen sind seine Diagnosen heute noch aktuell.

Und sollte der Leviathan wiedergefunden werden, dann hat das nichts mit Thomas Hobbes zu tun?
Nein. Darauf bezieht sich Robert N. Wilson schon selber. Wir sind zumindest momentan bei den Proben noch ganz texttreu was den Leviathan betrifft.

Matthias Heße
Foto: STM
Zur Person:
Matthias Heße
wuchs in Bochum auf und arbeitete dort erstmals am Kulturhaus Thealozzi als Schauspieler. Nach seiner Theaterausbildung an der Folkwang Hochschule Essen arbeitete er sieben Jahre im Festengagement bei Michael Gruner am Schauspiel Dortmund. Seit 2009 lebt er mit seiner Familie in Moers und ist im Schlosstheater Teil des Ensembles, seit 2012 auch Regisseur.

Wie inszeniert man so was? Unter Drogen?
Gute Frage! Ganz ohne Kiffen kann man sich dem sicher nicht nähern. Aber härtere Drogen sollte man nicht konsumieren. Die ersten Schritte waren nicht ganz leicht – sowohl für mich, was das Erstellen der Textfassung anging, als auch die Notwendigkeit, als ich dann schon völlig ins Thema eingestiegen war, die Schauspieler sozusagen in denselben Wahnsinn hineinzusteigern. Jetzt haben wir tatsächlich extrem viele Endorphine bei den Proben, weil wir uns sehr an dem ganzen Wahnsinn vergnügen. Da sind Drogen gar nicht mehr nötig. Außer viel Koffein – natürlich.

Und die ehemalige Kapelle als Spielstätte tut natürlich ihr übriges.
Auf jeden Fall! Für dieses ganze Esoterikthema, das ja mit den ganzen schwarzen Messen auch drinsteckt, ist das ein sehr geeigneter Ort. Und er wird auch als solcher vorkommen.

Aber der Vatikan hat seine berühmte Bibliothek nicht geöffnet?
Nein, nicht für mich. Ich habe gefragt, aber die wollten nicht. Mal schauen, wenn sie das Stück sehen, ob sie im Nachgang noch was möglich machen.

Wer ist denn überhaupt die Zielgruppe?
Gute Frage. Da muss ich einen Moment nachdenken, was unsere Zielgruppe über unser normales Moerser-Publikum hinaus sein könnte. Ich würde mich freuen, wenn es uns gelänge – das Problem der Rechte ist ja jetzt gerade geklärt worden, sodass wir das mit dem Untertitel „Frei nach Motiven von Robert Shea und Robert Anton Wilson“ bewerben dürfen –, dass auch die so genannten Science-Fiction-Nerds zu uns kommen und, weil wir uns sehr mit den Themen YouTube und gegenwärtige Netzkultur auseinandersetzen, dass wir auch ein paar zusätzliche junge interessierte Zuschauer aus den umliegenden Hochschulen anlocken können. Für Denkfaule ist das Stück allerdings nicht geeignet, das kann man jetzt schon ganz klar sagen.

Folgen sie diesen Bürgern zum Mindfuck-Workout in 23 Stufen! Foto: Kristina Zalesskaya

Lässt das Internet denn inhaltliche Verzerrungen dieser Art heute leichter zu, auch weil die Zugänge der Menschen schneller sind?
Ja, natürlich. Vor allem lassen sich im Internet viel mehr Leute rekrutieren, so etwas wie Verschwörungstheorien ernst zu nehmen. In den halbernsten Bereichen ist das allerdings auch Popkultur. Ich habe mal das Wort „Verschwörungsporno“ gehört, wo man im Internet kuckt, welche bekloppten Aluhut-Träger eine noch beklopptere These über die Hohlwelt haben. Und ob die die mit einer noch schlechteren Videoqualität beweisen wollen.

Gibt es denn in einem Mindfuck-Workout überhaupt eine dramaturgische Handlung?
Ja, es wird tatsächlich eine Geschichte erzählt. Das hat sich mehr oder weniger so ergeben. Wir haben Figuren. FUCKUP kommt vor (First Universal Cybernetic-Kinetic Ultra-Micro Programmer, ein Riesen-Computer aus der „Illuminatus!“ Roman-Trilogie), Hagbard Celine, Kommandant der Lief Erikson, des goldenen U-Boots ist bei uns eine Frau und ein gewisser Wolfgang Neuss repräsentiert das Alt-Hippietum. Das ist auch eine kompilierte Figur und der ist der ganze Wahnsinn der Bundesrepublik. Dann gibt es Georg Dorn, eine ganz heutige Figur und der repräsentiert auch diese ganze rechte Agitation, die in diesen Verschwörungstheoretikern drinsteckt. Das sind ja nicht nur harmlose Freaks, sondern da ist auch ganz viel rassistisches Gedankengut. Das fängt bei „Ich gehe nicht zum Impfen“ in einem tolerierbaren Waldorfbereich an bis hin zu krasser antisemitischer Hetze. Das haben wir bei der Figur verortet. Dann gibt es noch eine frei erfundene Figur, deren Name nicht frei erfunden ist, sie heißt Brute, das ist der Vokativ von Brutus aus einem Shakespeare Stück und sie ist der Blick in die Zukunft. Das sind die vier Figuren, die wir erdacht haben, und diese vier Figuren befinden sich in einer Art Sitcom auf LSD.

„Illuminatics. Ein Mindfuck-Workout in 23 Stufen“ | R: Matthias Heße | 12.(P), 17.4. 19.30 Uhr, 14.4. 18 Uhr | Kapelle Moers | 02841 883 41 10

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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