Der Wuppertaler Intendant Thomas Braus zur Spielzeit-Planung – Premiere 08/18
Endlich wieder ein klein bisschen kulturelle Kontinuität für die Stadt unter der Schwebebahn. Thomas Braus hat seinen Job überzeugend gemacht. Er bleibt also in Wuppertal Intendant und stellt seinen neuen Spielplan vor.
trailer: Herr Braus, kurz vor dem Theaterspielzeitfinale noch einen 5-Jahresvertrag unterschrieben: Wie hoch war denn das Handgeld? Thomas Braus: Kein Handgeld.
Wenigstens etwas mehr fürs Theater? Ein bisschen mehr.
Vom Land, prozentual? Ein klitzekleines bisschen mehr.
Aber 150 Jahre Else Lasker-Schüler sollten im nächsten Jahr doch wohl nicht über die Wupper gehen, oder? Nein. Das ist mir eine Herzensangelegenheit. Das ist das Ding, an dem wir gerade arbeiten. Ich wurde mal gefragt – denn im Spielzeitheft steht ja: „‘IchundIch‘ (in Planung)“ – warum ich denn so ein großes Projekt machen wolle. Und ich habe gesagt, entweder macht man es richtig oder gar nicht. Realität ist aber, wenn ich es groß mache und es aus meinem Etat bezahle, dann sind vielleicht nur noch zwei oder drei Premieren in der Spielzeit möglich. Es hat sich aber in dieser Spielzeit gezeigt, dass es gut war, dass wir zehn Premieren gespielt haben. Genauso war für mich klar, Else Lasker-Schülers „IchundIch“ muss ein Festival werden, muss eine große Geschichte werden. Als Schauspielmensch will ich, dass man so eine Dichterin feiert, wenn sie 150. Geburtstag hat. Eigentlich braucht man für ein Projekt, wie ich es vorhabe, normalerweise eine Vorlaufzeit von 2 bis 3 Jahren, aber ich bin eben erst seit August letzten Jahres hier Intendant. Allerdings kann ich jetzt schon sagen, dass wir es mit einer israelischen Regisseurin und in den Wuppertaler Riedelhallen machen wollen. Das Ganze soll eine Installation werden. Ich will auch Else Lasker-Schüler nicht beweihräuchern. Sie war eine Künstlerin, die in sich sehr widersprüchlich war, die sehr angeeckt ist, die unbequem war, die vielleicht in bestimmten Punkten auch Schwierigkeiten hatte, mit ihrem Leben umzugehen und alles in ihrer Kunst umgesetzt hat und dadurch manchmal in eine radikale Form gegangen ist. Ihre ureigenen Bilderwelten interessieren mich, und auch die müssen sich in der Kunstaktion widerspiegeln. „IchundIch“ ist ihr letztes Werk, eine Collage, in Jerusalem geschrieben und schwer zu verstehen. Aber wir sind dran, Gelder dafür zu akquirieren. Ich treffe mich mit einem Übersetzer in Tel Aviv, so weit sind wir schon. Es soll auch eine Zusammenarbeit mit der Uni Tel Aviv und der UDK Berlin geben. Wir haben vor, mit Schreibstudierenden aus Tel Aviv und Berlin zusammenzuarbeiten.
Thomas Braus
Foto: Uwe Schinkel
Zur
Person Thomas
Braus (*1966) absolvierte sein Schauspielstudium an der Hochschule
für Musik und Darstellende Kunst Graz und an der Filmhochschule
Wien. Engagements führten ihn u.a. an die Wuppertaler Bühnen. Als
Dozent ist Braus an der Hochschule für Musik und Tanz Köln tätig.
Seit über 15 Jahren im Wuppertaler Ensemble, hat der Freiburger
2017/18 die Intendanz übernommen.
Beginnen wird die neue Spielzeit aber in der Oper mit einem lustvollen Prozess wegen zertrümmertem Steingut („Der zerbrochene Krug“)? Ja. Man kann aber auch sagen, es fängt an mit zeitgenössischen Fake News. Und der Frage, wie geht man in unserer Gesellschaft mit Frauen um. Was macht der Adam mit der Eve? Wie wird die Eve behandelt? Was ist die Wahrheit und wie funktioniert in dem Stück die Rechtsprechung? Das wird natürlich eine Komödie werden und das soll es auch sein, und trotzdem werden diese Fragen gestellt.
Im Theater im Engelsgarten fängt alles an mit Hitler und Goebbels? Auch da die Frage, was wahr ist und was nicht. Wie behandeln die Schauspieler ihr Verhältnis zur Rolle in diesen Talkshow-Geschichten in „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm/ Nach der Ruhe vor dem Sturm“ von Theresia Walser. Wann fangen sie an, die Rolle zu sich selbst zu machen, wann kritisiert man als Schauspieler das gesellschaftliche System und wann verhält man sich konform? Dazu kommt: Beide Bühnenbilder am Eröffnungswochenende sind schon stark. Wir werden nicht die nette Amtsstube oder das normale Talkshowsetting sehen.
Der Plot ist längst Realität, kommt „Im Schatten kalter Sterne“ von Christoph Nußbaumeder nicht zu spät? Das ist immer die Frage. Ich glaube, die Aktualität der Drohnenfrage oder die Frage nach Rolle der Rüstungsindustrie kommt nie zu spät. Da befinden wir uns weiter in einem Kreislauf, selbst wenn es in den Medien nicht mehr tagesaktuell ist. Ein Autor schreibt zu einem aktuellen Thema, das Stück wird gerade uraufgeführt, wir sind erst das zweite Theater. Aktuell bleibt, wie kommt man in so eine Maschinerie rein, ohne es zu merken und wie bricht man da wieder aus? Das ist nicht zu spät, da sind wir mit der Inszenierung eigentlich am Zahn der Zeit.
Auch nächste Spielzeit: Der Intendant spielt „Die Hölle/Inferno. Reise ins Innere“ frei nach Dante. Foto: Klaus Levebvre
„Der Drang“: Franz Xaver Kroetzin Wuppertal? Und es wird noch böser im Theater?Das was Kroetz geschrieben hat, sind keine rein barbarischen Stücke, sondern er hat eben eine bitterbitterböse Sicht auf diese deutsche Mittelstandsgesellschaft. Und er schreibt ja auch ganz klar dazu: Nein, das muss nicht auf Bayrisch gespielt werden. Der Dialekt ist einfach nur ein zusätzliches Zeichen. Das ist eine Kunstsprache wie bei Horváth, wie bei Nestroy, aber diese Verlogenheit der Gesellschaft ist eben aktuell – obwohl, das Stück ist ja nun auch schon einige Jahre alt. Kroetz ist meines Wissens in Wuppertal noch nie gespielt worden und ich finde es immer gut, wenn wir einen zeitgenössischen Autor, wie Turrini ja auch, hierher bringen. Und in jeder Stadt findet diese Auseinandersetzung mit dem verlogenen Mittelstand statt – das kann man also durchaus mal machen.
Und dazu Shakespeares bösen Richard III? Was macht Politik? Wie wird Politik beeinflusst, was sind Machtsysteme? Und wo findet man die bei uns heute. Machtsysteme sind bei uns nicht mehr so blutig und mit Schwertern, mit Köpfen und was weiß ich. Aber sie sind genauso da. Und ich finde, was Machtstrukturen, was Intrigen angehen, ist es mal interessant, sich den Richard III von einem jungen Regisseur anschauen zu lassen und zu fragen, wo finden wir da eine Parallele? Man distanziert sich so gerne von diesen blutrünstigen englischen Machtspielen, doch heute geht das zwar anders, aber eigentlich genauso ab.
Aber es wird dafür nicht modern aktualisiert? Da bin ich überfragt. So weit sind wir noch nicht mit dem Konzept. Vielleicht sogar das. Natürlich denkt man an Trump. Das ist ja logisch, wenn man an solche Systeme denkt.
INTERVIEW: PETER ORTMANN
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