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Joel Sternfeld, Young Man Gathering Shopping Carts, Huntington, New York, July 1993 aus der Serie: Stranger Passing, C-print (118,11 x 96,52 cm)
© Courtesy of the artist and Luhring Augustine, New York, 2011

„Das Kunstwerk kann auch dokumentarisch sein“

30. Juni 2011

Das Museum Folkwang widmet dem amerikanischen Fotografen Joel Sternfeld die erste europäische Retrospektive - Sammlung 07/11

Joel Sternfeld zählt neben Stephen Shore zu den wichtigsten Vertretern der New Color Photography. Sie entdeckten in den 1970er Jahren die Farbe für die Kunstfotografie. Beeinflusst von den Farbtheorien des Bauhaus wird der Einsatz von Farbe zu seinem zentralen Stilmittel. Jetzt wird seine Arbeit in Essen zu sehen sein. Prof. Ute Eskildsen, stellvertretende Direktorin des Museum Folkwang, hat die Ausstellung kuratiert.

trailer: Frau Eskildsen, was macht die New Color Photography so unspektakulär genial?

Ute Eskildsen: Mit dem Begriff genial würde ich immer ein bisschen vorsichtig sein. Das Besondere an dieser Gruppe war, dass sie sich eigentlich von der Angewandten Fotografie abgewandt hat und die Ausdrucksfähigkeit der Farbe in die Kunst gebracht hat und damit die Fotografie in die Unabhängigkeit führte. Obwohl es Farbfotografie seit den 1930er Jahren gab, gab es die Farbe ja vornehmlich im Bereich der Werbung oder später im Bildjournalismus. Die Vertreter der New Color Photography haben die Farbfotografie nur für sich, für eigene Projekte genutzt.

Warum ist Joel Sternfeld in Deutschland eigentlich erst so spät gewürdigt worden?

Das ist eine gute Frage, die möglicherweise damit zu tun hat, das die Leute, die bei uns die letzten zwanzig Jahre diskutiert wurden, die waren, die in der Tradition der Becher-Schule standen. Die Bechers hatten eben eine besondere Affinität zu Stephen Shaw und so entstehen solche Konzentrationen. Letztlich sind William Eggleston, Stephen Shaw und Joel Sternfeld die aus meiner Sicht interessantesten Farbfotografen dieser amerikanischen – Bewegung ist eigentlich zu viel gesagt – Zeit der späten 1960er und 70er Jahre.

Sind die Fotos, die er gemacht hat, dokumentarisch oder sind das eigentlich nur Kunstwerke?

Das Kunstwerk kann auch dokumentarisch sein. Ich würde sagen, die bedienen sich eher der dokumentarischen Methode, sind sehr abbildungstreu. Insgesamt ist das eine künstlerische Arbeit, denn gerade Joel Sternfeld arbeitet ja sehr konzeptionell. Das macht seine Arbeit für mich auch sehr interessant, denn wenn sie sein Gesamtwerk überblicken, dann setzt sich das wie Mosaiksteine zusammen und es geht immer wieder über Amerika, immer wieder über sein Heimatland. Eine Besonderheit ist, dass er einen ganz scharfen Blick darauf hat, aber nicht anklagend, er hat auch sehr viel Humor.

Wie narrativ sind seine Bilder?

Das ist die Frage. Inwieweit kann eine Serie, die auf ein Land bezogen ist, universell sein. Die Sprache ist vielleicht das über die Nation hinausgehende, aber ich denke, es sind die Dinge, die er in Amerika in den Blick genommen hat, Menschen, die er auf der Straße fotografiert hat. Da kann man sehr gut universelle Parallelen sehen, dass das damals schon Erscheinungsbilder waren, die wir in allen westlichen Gesellschaften haben.

Er nutzt Farbe als Stilmittel. Hat er nachbearbeitet?

Nein, er hat nicht nachbearbeitet. Er hat bis zu dem Dubai Projekt, das bei uns nicht gezeigt wird, auch immer analog gearbeitet. Er hat klassisch angefangen, von der Kleinbildfotografie, der bewegten Kamera bis hin zur Großbildkamera. Ich finde gerade diese letzte Arbeit das „Oxbow Archive“ besonders, wo er ein Jahr lang eine bestimmte Landschaftsregion, man kann fast sagen eine bestimmte riesige Wiese beobachtet hat. Das ist sehr subtil in der Farbwahrnehmung und in der Farbgebung, was ja dann auch die Farbfotografie an Grenzen stellt.

Hat sich an der Ästhetik der Bilder im Laufe der Jahrzehnte etwas geändert, also auch von analog zu digital?

Das einzige Projekt, dass man vergleichen könnte, wäre ja Dubai. Das ist schon eine andere Ästhetik. Da sieht man, dass das mit so Handykameras gemacht ist. Das ist sehr anders. Das hat nicht die Ruhe und auch nicht die kompositorische Qualität. Was im Zusammenhang mit einem Fotografen, der mit Großbild arbeitet auch noch interessant ist, ist, dass es immer einen Wechsel gibt. Es ist zwar ein Landschaftsbild, aber es ist nicht nur Landschaft, da ist auch immer wieder der Mensch. Es geht auch da um den Menschen, wo der Mensch nicht unbedingt auf dem Bild ist. Das zieht sich auch durch sein ganzes Werk, außer in dieser letzten Landschaftsserie.

Das ist aber auch konstruiert, also die Leute stehen da nicht zufällig?

Na ja, es sind die Leute, die er trifft. Wenn man eine große Kamera hat, muss man die fragen (lacht). Denen ist dann immer klar, ich werde fotografiert und damit habe sie die Chance zur Pose, das ist klar.

Wie groß sind die Archivierungsprobleme bei Farbfotos aus den 1970ern? Meine sind alle hinüber.

Das kommt im Grunde darauf an, wie viel Licht die gesehen haben. Wenn die in guten Stahlschränken waren und nicht zu warm, dann geht das. Das ist nicht nur bei der Farbfotografie so, das gilt auch für die Schwarz/Weiß-Fotografie. Wir haben ja jetzt eigentlich erst Räume, die, was die Farbe betrifft, richtig professionell sind und die Bilder sind gut erhalten. Es gibt einige Museen oder viele in Amerika, die kaufen immer gleich zwei Abzüge. Einer, der wird weggelegt, eingefroren, und der andere wird als Ausstellungs- und Studienabzug genutzt.

Ute Eskildsen
Foto: Museum Folkwang
    Ute Eskildsen, geboren in Itzehoe, ist stellvertretende Direktorin am Museum Folkwang in Essen und Leiterin der dortigen Fotografischen Sammlung. Sie studierte Fotografie und Fotografiegeschichte an der Folkwangschule für Gestaltung. 1973 gründete sie mit Studenten eine Fotogalerie und begann mit der Organisation zahlreicher Ausstellungen zeitgenössischer Fotografie. 1979 wurde sie Kuratorin der Fotografie am Museum Folkwang, wo sie den Auftrag zum Aufbau und zur Leitung der Fotografischen Abteilung erhielt. 1991 wurde Ute Eskildsen stellvertretende Direktorin.

Den berühmten Kodachrome-Farbfilm gibt es nicht mehr? Wie schlimm ist das für Fotografen wie Sternfeld?

Das ist erstaunlich, aber ich glaube, die lassen sich jetzt alle auf das Digitale ein. Das Digitale ist ja auch besser geworden. Ich persönlich denke immer noch, ich könnte ein Bild unterscheiden, wenn ich einen digitalen Abzug sehe, weil ich glaube, dass die Tiefe immer noch nicht erreicht wurde, die man bei einem analogen Abzug hat. Vielleicht spinne ich da ein bisschen (lacht).

Wie sehr, glauben Sie, hat die Technik das Handwerk beeinflusst?

Wenn man in die Geschichte der Fotografie schaut, dann war das immer ein technisches Medium. Es gibt nun immer neue Herausforderungen, also gibt es auch immer neue Chancen. Mit der digitalen Technik kann man eine perfekte Montage machen. Das ist eine Perfektionierung der Montage – das ist schon toll. Ich glaube, dass das Handwerk fast abgeschafft ist. Auf der anderen Seite sind beim Printvorgang immer wieder Leute dabei, die mit Kopf und Hand arbeiten. Auch die Nachbearbeitung am Bildschirm ist eine Form der Retusche, nur der Weg ist anders. Ich glaube, solange wir noch was drucken und Bücher machen, ist auch immer Handwerk involviert.

Aber die Einflussmöglichkeiten auf das Rohmaterial sind enorm geworden.

Ja, extrem. Im Grunde sind die Einwirkmöglichkeiten viel größer als sie das beim Handwerk je waren. Ob nun zum Positiven oder Negativen sei dahingestellt.

„Joel Sternfeld – Farbfotografien seit 1970“ I Museum Folkwang Essen I 16.7.- 23.10. 2011 I 0201 884 50 00

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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