Die Ausstellung „Propaganda für die Wirklichkeit“ beschäftigt sich mit Bildern und ihrer Beziehung zur sichtbaren Welt und stellt damit die grundlegende Frage zum Verhältnis des Bildes und der Wirklichkeit, die sich einerseits auf die Abbildungsfunktion und andererseits auf den Status der Wirklichkeit beziehen. In über zwanzig verschieden internationalen künstlerischen Positionen und in unterschiedlichsten Medien wird das vielfältige Spektrum der Abbildungsrelation als ein grundlegendes Problem menschlicher Erkenntnis thematisiert. Wobei die zentrale Überlegung im Vordergrund steht, ob ein Bild die Wirklichkeit abbildet oder diese erst konstruiert. trailer sprach mit der Kuratorin Stefanie Kreuzer:
trailer: Gibt es überhaupt eine zweite Wirklichkeit?
Stefanie Kreuzer: Es gibt sicherlich mehrere Vorstellungen von Wirklichkeit oder überhaupt die Idee, wie Wirklichkeit erfasst werden kann. Das heißt, es gibt vielleicht mehrere Wirklichkeiten und nicht nur eine zweite.
Konstruiert sich die Kunst in der Ausstellung gar eine falsche Welt?
Ich glaube, dass es mit der Kategorie von falsch und richtig schwierig wird zu argumentieren. Vielleicht geht das Bild der Wirklichkeit voraus und dieser Struktur des Sichtbarmachens – was ein Bild oder eine Abbildung übernehmen kann – auch eine Form von Verständnis einer Wirklichkeit. Ich glaube, dass das keine Frage von richtig oder falsch ist, sondern es ist die grundsätzliche Frage, was kann ich überhaupt wahrnehmen von dem, was man so unter Wirklichkeit versteht. Gibt es Hilfsmittel, die mir vielleicht Strukturen von Wirklichkeit sichtbar machen?
Das ist aber nicht im Sinne von Boris Groys gedacht, der das Prinzip des Verdachts auf Inhalt bei Kunstwerken in die Theorie einbrachte?
Nein, das ist wirklich eine ganz epistemologische Fragestellung, die das Thema der Ausstellung umgibt, wo man sich fragt, was leistet ein Bild in dieser Abbildungsrelation.
Propaganda ist in Deutschland kein positiv besetzter Begriff...
Ich glaube, dass es in vielen Ländern kein positiv besetzter Begriff ist. Es bedeutet ja, dass man etwas formt und manipuliert und durch diese Manipulation auch etwas suggeriert. Und die Frage, die sich dann an die Kunst richtet, ist die Frage, wie funktioniert das. In der Präsentation hinterfragt es die Art und Weise, weil sich viele der Arbeiten auch um ihr Gemachtsein als solches drehen, also als Werk sprechen. Dadurch zeigen sie eine Form von Manipulation, wenn man das so möchte.
Große Namen, große Kunst – was sind die Highlights?
Ich glaube, es ist als Geflecht schön. Wenn man immer wieder die unterschiedlichen künstlerischen Ansätze sieht, wie sie mit dieser Thematik umgehen. Ist das vielleicht so eine Eins-zu-eins-Relation? Wenn beispielsweise Hiroshi Sugimoto in einem Kino fotografiert und die Belichtung eben genau der Länge des Spielfilms anpasst, dann habe ich dort eine zeitliche Eins-zu-eins-Relation. Wenn man die verschiedenen Facetten sehen kann, mit denen ich als Künstler umgehen kann, um die Idee von Wirklichkeit und Abbildungsmodus zu zeigen, finde ich es ein bisschen schwierig zu sagen, dass die Ausstellung so auf große Namen setzt. Das funktioniert eher wie ein Geflecht, das zeigen kann, wie unterschiedlich auch die Ansätze sind. Es gibt viele Arbeiten, die sich mit dem Spiegelthema auseinandersetzen. Ob ein Spiegelbild ein genaueres Bild von Wirklichkeit ist oder was das überhaupt für ein Bild im Spiegel ist. Es geht mir als Kuratorin weniger um große Namen als um die Frage, wie ich die einzelnen Arbeiten auch verbinden oder gegeneinander stellen, und dabei in einen Dialog treten lassen kann.
Geht es auch um die Substanz von Beeinflussung?
Beeinflussung dahingehend, dass ich auch finde, dass künstlerische Strategien Teil des Sujets und damit der Arbeiten selbst sind – und damit wird über die Strategie gesprochen, die im Sujet offengelegt wird. Dadurch ist auch eine Beeinflussung da, aber man kann sie als Betrachter kritisch nachvollziehen.
Kommen die Arbeiten aus dem eigenen Bestand?
Nein, das ist eine Ausstellung, die kuratiert ist, wo ich sozusagen die Künstler oder die Leihgeber direkt angefragt habe, mir genau diese Arbeiten zu geben. Das ist bei so einer thematischen Ausstellung ganz wichtig. Erst die letzte Ausstellung war eine Sammlungspräsentation und die hatten wir unter das Thema „Eine Handvoll Erde aus dem Paradies – Magische Bilder und Objekte aus dem Museum Morsbroich“gestellt. Da ging es tatsächlich um die Magie, aber jetzt ist es wirklich eine thematisch kuratierte Ausstellung, wo ich genau diese Arbeiten mit einer speziellen Idee, warum sie in diesem Kontext Sinn machen, ausgesucht habe.
Aber es sind viele Künstler – wie beherrscht man das Chaos?
Es kommt immer darauf an, wie viel Raum man zur Verfügung hat und wie dieser strukturiert ist. Für mich war es sehr wichtig, dass die Arbeiten in einen Dialog treten können. Oder dass man genau überlegt, wenn es zum Beispiel der Eingangsraum ist, welches Thema spricht die Besucher an und wie führe ich das im nächsten Raum weiter. Damit sich ihnen beim Gang durch die Ausstellung ein sinnvoller Parcours erschließt und man dazu kleine, verschiedene Schwerpunkte setzt. Manchmal mehr Blick auf die Wahrnehmung, manchmal mehr auf die Sichtbarkeit, manchmal mehr auf das Sichtbarmachen.
Gibt es auch Künstler, die sich gegenseitig dabei ausschließen?
Sie meinen aus den ausgewählten, die nicht gemeinsam in einen Raum passen? Also einmal wenn das Medium – ganz technisch – es nicht erlaubt. Habe ich einen Raum, der komplett verdunkelt sein muss, dann kann ich dort nur eine Arbeit platzieren, die so präsentiert wird. Dass es sich grundsätzlich bei anderen Arbeiten von vornherein ausschließt, glaube ich nicht. Es geht um das Darstellen und Sichtbarmachen, das immer wieder auf eine andere Art funktioniert. Es gibt aber Kombinationen, die einfach besser sind, weil sie eine Idee vertiefen und sich gegenseitig bespiegeln.
„Propaganda für die Wirklichkeit“ | 2.2.-4.4. | Museum Morsbroich, Leverkusen | Infos: 0214 85 55 60
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