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Foto: Peter Ortmann

Die Seele der Zukunftsszenarien

28. Juli 2011

Das HMKV präsentiert mit „Proto Anime Cut“ japanische Anime-Kunst - Kunst Wandel 08/11

Eine intensive Dauerschleife fürs Gehör ist die erste Wahrnehmung in einer Ausstellung über visuelle Räume in japanischen Anime-Filmen. Sie stammt aus einer Szene aus dem Anime-Film „Evangelion 2.0“, 2009 produziert vom Studio Khara. Regie führte Hideaki Anno. Der 51jährige Animateur entwarf für dieses Kampf-Opus um böse Angels (Aliens) und coole Evangelions (humanoide Roboter), die nur von hochqualifizierten Kindern gesteuert werden, das grundsätzliche Szenario und den Set in und um Tokio in der nahen Zukunft. Eine gigantische Stadt, die per Knopfdruck im Boden verschwinden kann. Der Hartware Medienkunstverein (HMKV) hat diesem speziellen japanischen Genre im Dortmunder U eine Ausstellung gewidmet, kuratiert von den Berliner Insidern Stefan Riekeles und David d'Heilly.

Dabei geht es in erster Linie nicht um die Endprodukte, sondern zum ersten Mal um die Schöpfer von Anime-Filmen als Künstlerpersönlichkeiten. Die sieben vorgestellten Künstler sind Schlüsselfiguren in der Entwicklung der Anime-Kultur. Ihre Arbeiten hängen bei „Proto Anime Cut“ wie Kunstwerke an den Wänden, ein Umstand, der für die genialen Zeichner selbst merkwürdig wirkt, sind die Werke auf billigem Papier doch in erster Linie Teil eines Produktionsprozesses. Auch wenn sie so seit den 1980er Jahren den für Anime prototypischen Stil entwickelt haben, kaufen könnte man ihre Zeichnungen und Aquarelle nicht, die gehören den Produktionsfirmen, die alle Rechte halten, auch die über die Arbeiten, die erst zum Endprodukt Anime-Film geführt haben. Alle Künstler haben sich spezialisiert, die erste Garde insbesondere auf Hintergrundbilder, deren Schärfe meist im Mittelpunkt zunimmt, um bei einer direkten Kamerafahrt darauf die Sehgewohnheiten mit einer verschwimmenden Tiefenschärfe an den Rändern zu verstärken. Andere wie Koji Morimoto verstehen sich exzessiv auf die Darstellung von schwebenden und fliegenden Objekten. Aber Morimoto ist auch Regisseur, einer der wenigen, die alle Schritte einer Produktion selbst beherrschen.

Takashi Watabe ist der Architekt der Klassiker Akira (1988), Patlabor (1989), Ghost in the shell (1995) und war auch bei Neon Genesis Evangelion (2009) beteiligt. Seine Bleistiftzeichnungen gehen ins extreme Detail, in der Ausstellung zu sehen an einem Konzeptdesign für Ghost in the shell. Zu sehen ist eine im Meer schwimmende Cyborg-Produktionsanlage, mit irrwitzigen Rohrleitungen und Verkabelungen, deren Details später im Film nur noch kaum zu sehen sind. All das führt zu einer Faszination, die nur beim Anime-Film zu haben ist: Hier ist absolut alles denkbar, jede noch so abgedrehte Geschichte realisierbar in Welten, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat, weil sie da einfach noch gar nicht existierten. Viele Filmausschnitte in Minutenlänge auf großen Beamer-Leinwänden zeigen in der Ausstellung das Endprodukt, das von den Künstlern in Kleinstarbeit, Schicht um Schicht, Folie für Folie, zusammengebaut wurde und noch nie sind diese Zeichnungen in der Öffentlichkeit gezeigt worden. Nach dem Besuch dieser Ausstellung sollte man sich die Filmvorführungen ab dem 10. September im Rahmen des Japan Media Arts Festivals nicht entgehen lassen.

„Proto Anime Cut – Räume und Visionen im japanischen Animationsfilm“
HMKV im Dortmunder U I Bis 9.10. I 0231 496 64 20
Japan Media Arts Festival I HMKV im Dortmunder U I 10.9.-2.10. I 0231 496 64 20

Weitere Texte zum Thema:
Das kunstvolle Verschwinden - Rezension von “Gone to Croatan – Strategien des Verschwindens”
Traumtagebuch als Bauanleitung - Rezension von "Barbara Breitenfellner – „Traum einer Ausstellung“"

PETER ORTMANN

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