Fünf Millionen Einwohner sind ein unerschöpflicher Pool für Ideen zum Klimaschutz, meinen jedenfalls die Akteure der „Klimametropole Ruhr 2022“. Unter Federführung des Regionalverbandes Ruhrgebiet will man als starker Partner die „Klima.Expo.NRW“ unterstützen, das auf zehn Jahre angelegte – und wörtlich zu verstehende – Vorzeigeprojekt der Landesregierung. Verbände, Unternehmen und Institutionen schulterten gerade die Auftaktwoche der „Klimametropole Ruhr“ mit über 200 Veranstaltungen bis zum 3. Oktober. Und wir berichten von ausgewählten Orten.
Zum Beispiel Gladbeck.
Bernd Webers erster Eindruck war: abreißen. Neu bauen. Nicht nur wegen der beträchtlichen Schiefstandes von 41 Zentimetern, den die Zeche „Nordstern“ unter dem Doppelhaus an der Landstraße angerichtet hatte. Nicht nur wegen des schlechten Baumaterials, das vor 55 Jahren zum Einsatz kam („Vollziegel, Hohlblocksteine – was halt damals verfügbar war“). Nicht nur wegen der mitgekippten Fenster, die entweder weit aufgingen oder von allein zuklappten. Auch nicht wegen der nur 24 Zentimeter starken Außenwand, die in Heizungsnischen sogar weniger als die halbe Dicke erreichte. Sondern wegen allem zusammen.
Aber der Eigner hing an dem Haus, in dem mehrere Generationen seiner Familie gewohnt hatten. Und entschied sich gegen Abriss. Keine leichte Aufgabe für den Energie-Gutachter Weber. Doch dem dämmerte: „Wir müssen einfach im Altbaubestand sanieren. Sonst kriegen wir unsere notwendigen Klimaziele auf keinen Fall erfüllt.“ Viele Erben würden allerdings den nötigen Aufwand und die Investition scheuen und stattdessen billig an jemanden verkaufen, der energetisch auch nichts unternehme. Irgendwann sei so ein Haus dann nicht mehr zu retten.
Dabei zeigt das Gladbecker Beispiel, dass sogar im Bergsenkungsgebiet sinnvoll saniert werden kann. Einzige Bedingung, sagt Weber, sei eine durchgehende und intakte Fundamentplatte. Diese sorgt dafür, dass das Gebäude als ganzer Block in Schieflage gerät, dafür aber keine Risse im Mauerwerk auftreten. Nach Abschluss der Arbeiten stehen jetzt eine gedämmte Fassade, neue (und waagerecht eingesetzte) Fenster, neue Balkone und natürlich eine neue Heizungsanlage auf der Habenseite. Ein alter 73-kW-Ölkessel wurde durch einen 28-kW-Gasbrenner ersetzt. „Der Energieverbrauch ist durch die Sanierung um 60 Prozent gesunken“ – das soll auch Mieter überzeugen, die ihren Part an der 300.000-Euro-Investition tragen müssen. Abreißen und neu bauen hätte man für dieses Geld ohnehin nicht können.
Insgesamt sollen 70 bis 80 Prozent der Nachkriegs-Immobilien durchaus energetisch noch zu retten sein, schätzt Weber. „Bei einem hundertjährigen Haus würde ich den nötigen Aufwand vermutlich nicht betreiben. Mir tun viele Käufer von alten Zechenhäusern Leid – etliche haben sich da schwer vertan.“
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