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Angst vor dem Liegenbleiben hat kein Erdgas-Fahrer: Eine Zapfsäule findet sich immer in der Nähe – und zur Not kann man auf den Benzintank umschalten
Foto: Tom Jost

Klimaschonend fahren mit Erdgas – sogar aus Wind

26. Februar 2015

Ausgereifte Fahrzeuge, dichtes Tankstellennetz: Fast unbemerkt entwickeln sich Erdgas-Autos zur Alternative – Innovation 03/15

Der Traum umweltbewusster Verkehrsteilnehmer heißt: klimaneutral fahren. Elektroautos schaffen das, wenn sie ausschließlich mit Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen versorgt werden. Doch hohe Anschaffungskosten und ein lückenhaftes Ladenetz schrecken Privat- und Firmenkunden noch ab. Anfang 2015 waren in Deutschland gerade 20.000 Mobile zugelassen. Die Alternative könnten – auch langfristig – Fahrzeuge mit Erdgas-Antrieb sein. Davon gibt es immerhin schon fünfmal so viele. Mit steigender Tendenz.

Samstagmittag in Witten, Tankstelle am Crengeldanz. An den Zapfsäulen für Benzin und Diesel herrscht mäßiger Betrieb – gewiefte Fahrer warten lieber auf den Abend, wenn der Spritpreis sinkt. Der „Exotenplatz“ ist dafür dicht umlagert. Drei Fahrzeuge rollen zu den beiden Anschlüssen der Erdgas-Säule. Eines von ihnen muss warten. Einstöpseln, verriegeln, Startknopf drücken: Gas fließt. Man nutzt die Gelegenheit zu einem Schwatz untereinander. „Normalerweise wird man eher von Benzin-Fahrern angesprochen“, grinst Klaus Steiner. „Fast wie als Hundehalter. Nein, sage ich dann – der beißt nicht. Und Ja, sage ich – der fährt richtig gut.“ Der Tankvorgang ist nach zwei Minuten beendet. Für 13,8 Kilo Treibstoff zahlt man an der Kasse 14,60 Euro. Es reicht für 250 neue Kilometer – dabei war der Gasbehälter ja noch zu einem Drittel gefüllt.


Der Füllvorgang: Einstecken, verriegeln, Knopf drücken – fertig

Der rote Opel Zafira ist schon das dritte Erdgasauto der Bochumer Familie. Den ersten, einen Focus Kombi, verkaufte Steiner auch als neunjährigen „Gebrauchten“ noch zu einem guten Kurs. Den zweiten, ein Fiat Punto, steuert die Gattin seit 2006 ohne Probleme und Auffälligkeiten. Und freut sich, dass das Nachladen auf dem Heimweg von der Essener Schule aus der kleinen Geldbörse bestritten werden kann. Falls wie aktuell die Wattenscheider Erdgas-Säule außer Betrieb ist, gibt es noch eine in Riemke. Oder sechs in Essen. Und zur Not hat jedes Erdgasauto eh einen Extra-Benzintank, der für gut 150 Kilometer reicht. Vor dem Liegenbleiben muss man allein deshalb keine Angst haben.

An diesem Mittag beträgt das Preisplus gegenüber Superbenzin selbst in aktueller Billigsprit-Zeit satte 27 Cent. Auch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Erdgas wird in Kilo abgerechnet und besitzt eine um 40 Prozent höhere Energiedichte als ein Benzin-Liter. Gegenüber Dieselkraftstoff ist Erdgas um 30 Prozent im Vorteil. „Damit hat man die Mehrkosten bei der Anschaffung schnell wieder egalisiert“, sagt Steiner, der als ehemaliger Angestellter eines Gas-Konzerns sogar einen Rabatt seines Arbeitgebers einsacken konnte. Auch für gewöhnliche Sterbliche gibt es Beihilfen: Viele Kommunalversorger förder(te)n den Kauf eines Neuwagens mit Zuschüssen oder einer Umsonst-Menge. „Bis 2012 wurde unser Angebot 374-mal in Anspruch genommen“, berichtet etwa Christian Seger von den Bochumer Stadtwerken. Obendrein gewährt der Staat Steuervergünstigung bis 2018, die Fortsetzung steht bereits in der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung.

Für umweltbewusst denkende Fahrer liegt der eigentliche Vorteil aber in der Klima-Komponente. Denn Erdgas, das vor allem aus Methan besteht, gilt als der kohlenstoffärmste Brennstoff. Bei seiner Nutzung entsteht schon unter normalen Umständen ein Viertel weniger CO2 als im Benzinbetrieb. Gegenüber einem Dieselfahrzeug wird dieser Unterschied zwar ganz klein, dafür gibt es 75 Prozent weniger Stickoxide und so gut wie keine Rußpartikel und Feinstäube. Es kommt noch schöner: Etwa 180 der bundesweit vorhandenen fast 1000 Erdgas-Tankstellen werden bereits mit Bio-Methan co-beliefert. Dessen Einsatz verspricht erzeugungsseitig CO2-Neutralität, weil durch den Auspuff nur jene Menge in die Atmosphäre entlassen wird, die ihr die pflanzlichen Ausgangsstoffe vorher entnahmen. Und mit „Power to gas“ ist das Zukunftsfenster bereits aufgestoßen.

Jenes 1895 erstmals in Dänemark ausprobierte Verfahren gewinnt per Elektrolyse Methan aus Wasser und CO2. Die nötige Energie stammt, damals wie heute, aus Windkraftanlagen. Perspektive: Mit dieser Technologie könnte man große Mengen überschüssigen Windstroms (wie er etwa im Dezember anfiel) in einen speicherbaren Energieträger verwandeln, statt die Windmühlen anzuhalten oder gar dafür zu bezahlen, dass Nachbarländer diesen Strom abnehmen. Längst sind erste Demonstrationsanlagen gebaut: in Stuttgart, in der Uckermark und (im Auftrag von Audi) auch im niedersächsischen Werlte. Noch in diesem Frühjahr soll im Energiepark Mainz der mit 6 MW Leistung weltgrößte Elektrolyseur seinen Dienst aufnehmen, an dem Siemens und Linde beteiligt sind. „Power to gas“, sagt auch Experte Klaus Steiner, „wäre ein interessanter Gedanke, um endlich intensiv über Gas-Mobilität zu reden.“

Zurück in die Gegenwart. Erdgas-Fahrzeuge besitzen eine ausgereifte Technik und sind langstreckentauglich. Lieferbar sind derzeit fast 30 Modelle, vom VW up! bis zum Van. Bleibt noch die Frage nach der Versorgungssicherheit in typischen Urlaubsländern. Abgesehen von Frankreich gelten die wichtigsten europäischen Nachbarn als gut bis sehr gut erschlossen. Spitzenreiter ist übrigens Italien – dort hat inzwischen jede siebte Neuzulassung einen Erdgas-Tank.

TEXT/FOTOS: TOM JOST

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