Ausstellungsansicht aus der Kunsthalle Recklinghausen
Foto: Ferdinand Ullrich
„Es sind Wasser oder Feuer, die oft alles zerstören“
28. April 2016
Museumsdirektor Ferdinand Ullrich über die Ausstellung „Fabrizio Plessi – Digital Wall“ – Sammlung 05/16
Die Elemente sprühen. Zur Ruhrfestspielthematik „mare nostrum“ zeigt das massive Recklinghäuser Bunkerkunstmuseum die vom Italiener Fabrizio Plessi geplante Kunstausstellung „Digital Wall“.
trailer: Herr Ullrich, die Kunsthalle brennt außen schon – aber läuft sie auch voll Wasser? Prof. Dr. Ferdinand Ullrich: Das kann man so sagen. Die Kunsthalle läuft auch voll Wasser, es rauscht, es fällt, es stürzt das Wasser in die Kunsthalle hinein. In der Tat.
Warum hat man gerade Fabrizio Plessi, den alten Alchemisten, ausgesucht?
Ferdinand Ullrich
Foto:
Dominik Lenze
Zur Person Ferdinand
Ullrich –1972-78
Studium der Bildenden Kunst an der Kunstakademie Münster.
Meisterschüler bei Timm Ulrichs. 1978-81 Studium Kunstgeschichte,
Philosophie und Pädagogik an der RUB Bochum. Promotion über die
Künstlergruppe „junger westen“. Seit 1988 Direktor der Museen
der Stadt Recklinghausen, seit 2002 Honorarprofessor für Kunst und
Öffentlichkeit an der Kunstakademie Münster.
Wir haben Fabrizio Plessi ausgewählt, weil wir ja gehalten sind, mit der Bildenden Kunst auch das Thema der Ruhrfestspiele zu begleiten. Und dann gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Also haben wir einen Künstler gesucht, der aus dem mediterranen Raum kommt, denn um das Mittelmeer geht es ja bei den diesjährigen Ruhrfestspielen. Wenn man dann noch einen Künstler findet, der zusätzlich auch dieses Thema hat, dann ist man natürlich froh. Wasser ist ja momentan ein großes Thema durch die Flüchtlingsströme, die über das Mittelmeer kommen. Wir freuen uns, dass Fabrizio Plessi dann auch interessiert war, in diesem alten Bunker auszustellen, der natürlich einen eigenen Reiz insbesondere für Künstler hat.
„mare nostrum“ hat aber auch die Aspekte des Feuers. Die Lavaströme des Ätna, Vesuv? So ist das. Wasser ist ja eines der Grundelemente und insofern ist das Pendant dazu wirklich das Feuer. Aber es gibt einen weiteren Aspekt. Im Logo der Ruhrfestspiele, mit den stilisierten R‘s, die ja zugleich Fördertürme darstellen, gibt es auch die rote und die blaue Farbe, und das nicht ohne Grund. Sie haben durchaus ikonografische Bedeutung. Nämlich Wasser und Feuer, oder Explosion könnte man auch sagen. Das sind die beiden großen Gefahren des Bergbaus. Nämlich die Gefahr, dass der Schacht zuläuft oder dass es eine große Explosion gibt. Insofern passt das auch zu den Ruhrfestspielen insgesamt auf wunderbare Weise.
Das sind natürlich auch Urängste. Urängste transportiert es auch. Es sind die Elemente Wasser oder Feuer, die oft alles zerstören. Auf der einen Seite die vielen Tsunamis, die wir ja nun auch in Erinnerung haben, und auf der anderen Seite die großen Lavaströme, die aus den Vulkanen herauskommen, und das spielt in Italien durchaus auch eine große Rolle. Aber es sind zugleich aber Symbole des Lebens, der Bewegung, des Fließens. Alles fließt, heißt es in der antiken Philosophie. Und das ist auch etwas, was im Hintergrund mitschwingt und auch im Gedankenwerk von Fabrizio Plessi, wenn er seine Installationen baut.
Seit Jahren hat das Installative in der Bildenden Kunst bei den Ausstellungen zu den Ruhrfestspielen Priorität. Ja. Das Installative ist deshalb hier sehr wichtig geworden, weil der Ausstellungsraum an sich bereits eine Installation ist, eine Art Bühne. Der alte Bahnhofsbunker ist ja selbst bereits aufgeladen mit Bedeutung, wenn man so will. Darum lassen sich Künstler auch immer wieder darauf ein und spielen mit dem Raum, mit der Massivität des Gebäudes – auch dagegen muss man ja auch erstmal ankommen. Wobei man jetzt gerade bei Plessi sagen muss, er ist heute ja sehr viel weniger installativ, als er es in seinen früheren Arbeiten gewesen ist. Und das ist selbst durchaus ein neuer Aspekt. Hier wird nicht einfach wiederholt, was er immer schon gemacht hat, sondern es ist ein sehr, sehr neuer Aspekt in seiner Arbeit, den ich sehr schätze, nämlich wieder Bilder zu machen und nicht so sehr in den Raum zu gehen.
Künstler der Naturkräfte: Fabrizio Plessi, Foto: Ferdinand Ullrich
Und wie sinnlich ist diese digitale Echtzeit-Virtualität? Also die Sinnlichkeit dieser digital bewegten Bilder ist ganz wichtig und auch gegeben und zwar in hohem Maße gegeben. Ich habe das von der Arbeit Plessis erwartet, aber ich bin in meinen Erwartungen hier vor Ort noch übertroffen worden. Insbesondere was diesen emphatischen Moment angeht. Der Besucher wird von diesen Bildern überwältigt. Das ist nicht ganz selbstverständlich, wenn man weiß, was Plessi früher gemacht hat. Da spielte das Materielle immer eine Rolle, die Einbindung der Bildschirme in rostigen Stahl oder die Arbeit mit ausgesuchtem Marmor. Hier geht es nur die Form der Bildschirme, der Screens, selbst als Bildform. Sie, wenn man so will, als Shaped Canvasauch zu nehmen und allein auf die Wirkung und die Macht und Kraft des Bildes zu vertrauen. Und ich finde, das funktioniert auf wundersame Weise, weil sich dabei auf der Oberfläche geradezu ein Drama abspielt und das in diesem Hause.
Und Recklinghausen kann sich das auch leisten? Ich will es mal so sagen, gemeinsam mit den Ruhrfestspielen, und auch mit zahlreichen Sponsoren, die das unterstützt haben, können wir uns das leisten. Wie immer: gerade so.
Und im nächsten Jahr kommt dann James Turrell oder Gregor Schneider? Wir werden sehen. James Turrell wäre ja durchaus ein sehr interessanter Mann. Wir werden aber wahrscheinlich erst im übernächsten Jahr wieder eine Ruhrfestspiele-Ausstellung machen, und dann dort die Kräfte, insbesondere auch die Finanzen bündeln.
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