trailer: Herr Anklam, Wird Katja Aufleger den ollen Bunker von innen sprengen?
Nico Anklam: Ich denke wohl nicht. Aber bei Katja Aufleger kann man sich tatsächlich nie so ganz sicher sein, was da kommt, aber es ist immer gut. Und es ist tatsächlich inhaltlich oft explosiv.
Welche Arbeiten geben denn sonst noch vor, etwas Anderes zu sein – außer das Nitroglyzerin?
Ob das Nitroglyzerin überhaupt kommt, ist noch nicht entschieden. Aber grundsätzlich geben das alle Arbeiten vor – in der einen oder anderen Form. Man kann zwei Linien in der Moderne aufmachen. Einmal, dass Kunstwerke radikal ihre Materialität auflegen sollen und andererseits, dass sich gerade bei den Arbeiten, die damit erfolgreich sind, oft die Erkenntnis einstellt: Ach, da ist doch was ganz anderes als ich gedacht habe, das sieht nach etwas ganz anderem aus, als es eigentlich ist. Insofern schlummert in allen ausgestellten Werken, das da im Moment der Betrachtung eine gewisse Verwandlung mitzudenken ist.
Reichen denn die vier Künstler:innen überhaupt aus die Fragestellung abzudecken?
Nein, natürlich nicht. Da müssten wir im Zweifelsfall hunderte einladen. Ich bin aber ein Freund der reduzierteren Ausstellungen. Von Paul Spengemann wird nur ein Film gezeigt, der aber ganz groß als Projektion auf einer Wand präsentiert wird im Obergeschoss. Der Streifen ist unter zehn Minuten lang und den kann man auch gut ein oder zwei Mal durchschauen und vielleicht macht der erst beim zweiten oder dritten kucken am meisten Spaß. Dann passiert oft mehr, als wenn ich noch 30 weitere Werke dazu genommen hätte. Aber geben Sie mir noch zehn weitere Kunsthallen und ich mache eine Ausstellung mit 500 Werken – kein Problem.
Was zeichnet denn die anderen drei Künstlerinnen aus?
Erstmal dass sie für mich relevant sind in dem Themenfeld. Dass sie im Jetzt arbeiten, aber auf Vieles in der Kunstgeschichte verweisen und dass es kluge Arbeiten sind. Mir ist immer sehr wichtig, dass die Kunstwerke gleichzeitig ein bisschen schmunzeln lassen können, manchmal aber auch durch den ungewohnten Blick auf die Welt etwas offenbaren, was wir ohne die Kunst nicht gesehen hätten.
Gerade bei Béatrice Balcou braucht man doch eigentlich viele erklärende Texte, so dass die Besucher:innen die Arbeiten verstehen?
Die Arbeiten von Béatrice Balcou sind sicherlich eine Position, wo sich nicht alles auf den ersten Blick erschließt. Aber meine Aufgabe als Museumsdirektor ist es ja auch Positionen zu zeigen, die gezeigt werden müssen, weil sie etwas können, was nur wenige andere vermögen. Und ich will dem Recklinghäuser Publikum und allen anderen, die zu uns kommen, immer auch Kunstwerke anbieten, die zwar niederschwellig sind, aber auch Arbeiten, wo dann mit unserer Unterstützung wie Vermittlungsprogrammen oder Texten oder Führungen eben vielleicht doch etwas mehr offenbart wird, als man es allein hätte schaffen können.
Aber alle vier haben einen besonderen Bezug zur Materialität?
Absolut. Ich glaube, dass die vier in der Kombination noch nie zusammen zu sehen waren. Es gibt eine große Verwandtschaft zwischen den Künstler:innen, dass sie sich über das Material und die Materialität ähneln, dass sie manchmal sogar zum Verwechseln ähnlich sind. Darin liegt der kuratorische Doppelkniff, dass dieses „Anders als es scheint“ ein Stück weit mit einem Augenzwinkern gemeint ist, dass sich sowohl das allgemeine, als auch das Fachpublikum fragen kann, ist das jetzt Alicia Kwade oder Katja Aufleger. Das finde ich gut. Da haben Sie schon entdeckt, was als zusätzliche Ebene in der Schau passiert, dass nämlich vielleicht die Frage entstehen wird, von wem die Arbeit jetzt eigentlich zu sein scheint.
Ist Recklinghausen denn bereit, sich solchen Phänomenen zu stellen?
Das werden wir sehen. Eine Ausstellung wie diese ist sicher herausfordernder für das Publikum als andere, die wird auch viel reduzierter sein als andere. Aber nach einer sehr zugänglichen Ausstellung von Flo Kasearu und momentan einer sehr schönen und von den Besucherzahlen auch sehr erfolgreichen ersten Sammlungspräsentation, ist mir wichtig, dass man etwas hat, wo der Kunstdiskurs gut anknüpfen kann. Aber wir sorgen auch dafür, dass es eine Präsentation ist, die für jedes Publikum zugänglich ist. Es ist tatsächlich eine der herausfordernden Ausstellungen, aber das muss ja ab und zu auch sein.
Anders als es scheint | 4.12.-29.1.23 | Kunsthalle Recklinghausen | 02361 50 19 35
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