Über die Energiewende ist das Elektroauto aus den Schlagzeilen geraten. Zum Zeitpunkt, an dem die ersten deutschen Serienhersteller mit komplett abgaslosen Antrieben auf den Markt kommen, scheint sich das Interesse verflüchtigt zu haben. Was dem E-Mobil für den Massendurchbruch noch fehlt, untersuchen seit März 2012 Wissenschaftler der Ruhr-Uni in Bochum. Und stoßen dabei auf Antworten, von denen sie teilweise selbst überrascht sind.
Testfahrer/innen sind in der Regel ungewöhnliche Sterbliche. Spezielle Mitarbeiter von Automobil-Herstellern gehören dazu und – kurz vor der Marktpräsentation – auch ein paar ausgewählte Journalisten. In Bochum können seit 20 Monaten Svenja Hinz und Marco Kunz für jeweils eine Woche Platz in verschiedenen Strom-Mobilen nehmen und damit dienstlich oder privat durch die Gegend schnurren. Frommer Wunsch: Sie machen damit möglichst viele Kilometer, optimalerweise zwischen 50 und 200 pro Tag.
Lange Zeit galten kleine Elektro-Flitzer vor allem im Metropolen-Verkehr als ideale Lösung. Der Zweitwagen für die Familienmanagerin – Einkaufsgefährt und Kindertransporter. Alle drei Tage mal ans Ladekabel. Und damit gut. An der Elektrotechnik-Fakultät der Ruhr-Uni hält man das für den falschen Ansatz. „Damit erreichen wir zu wenig. Außerdem sind 40.000 Euro für einen Zweitwagen zu teuer“, sagt Prof. Constantinos Sourkounis als Leiter eines Langzeitprojektes, das Alltagstauglichkeit und Langstreckeneignung von Strom-Mobilen untersucht. „Wenn Reduzierung der Luftbelastung die Antwort auf die Frage ist, warum wir elektrisch fahren wollen, dann müssen wir dort ansetzen, wo die großen Strecken entstehen. Also bei Pendlern, die längere Wege zum Arbeitsplatz haben.“ Oder mit Berufsfahrern, die jährlich zwischen 40.000 und 60.000 Kilometer abspulen: „Diese Leute vermeiden dann auch ganz andere Emissionsmengen und leisten einen nennenswerten Beitrag.“
Bisher machte die arg begrenzte Batterie-Reichweite solche Argumentationen sehr zweifelhaft. Vom neuen Tesla-Sportwagen abgesehen, kommt man mit der Aufladung der bisherigen Stromautos bestenfalls 150 bis 180 Kilometer weit. Für eine anständige Tagesleistung braucht es daher entweder Benzin-Helfer wie im Opel Ampera – oder flächige Schnelllade-Möglichkeiten. Diese gibt es inzwischen auch im Rhein-Ruhrgebiet und an der A 1 in Richtung Norden. Innerhalb 20 Minuten pimpen sie die leere Batterie wieder auf 80 Prozent Leistungsfähigkeit.
Was lag also näher, als beide Konzepte auf einer Fahrt nach Hamburg parallel zu vergleichen? Die Bochumer starteten mit Ampera und schnellladefähigem Mitsubishi iMiEV. Für die 370 Streckenkilometer benötigte der Japaner 39 Kilowattstunden Strom, was einem Benzin-Äquivalent von 2,4 Litern für 100 Kilometer entspricht. Opels Reichweitenkünstler zog sich dagegen 19 Kilowattstunden plus 14 Liter Sprit. Aber das Wichtigste: Selbst dreimal unterwegs nachgeladen, brauchte auch das reine Elektrofahrzeug nur fünf Stunden bis Hamburg. Der Ampera war bei gleicher Verkehrsdichte eine Stunde schneller am Ziel.
Über 250 Testfahrer haben den 25 Pkw umfassenden E-Fuhrpark der RUB-Forscher schon ausprobieren können, viele von ihnen nacheinander mit beiden Konzepten. Eingebaute Datenlogger zeichneten jede Fahrt und jede Ladepause auf. Vor dem ersten Start und erst recht hernach mussten die Probanden persönliche Einschätzungen abgeben. Ob das E-Mobil helfe, Geld zu sparen? 19 Prozent glaubten vor Testantritt daran, danach waren es schon 46 Prozent. Ob es für den persönlichen Alltag nützlich sei? 41 Prozent bejahten zu Beginn die Frage, am Ende 56 Prozent.
Prof. Sourkounis und sein Team haben auch ganz andere Fakten erfragt. „Die Angaben differieren stark zwischen Männern und Frauen“, berichtet der Wissenschaftler: „Männer begeistert die Beschleunigung, Frauen halten die Übersichtlichkeit für wichtig. Deshalb mögen sie auch den Ampera nicht so sehr.“ Wichtig für beide Gruppen waren Energieersparnis, Ladesäulen-Netz, Komfort und das subjektive Sicherheitsgefühl. Überraschende Erkenntnis: Über die Woche änderte sich das Ladeverhalten. Wurde anfangs noch bei so ziemlich jeder Gelegenheit das Stromkabel eingestöpselt, „reagierten sie am Ende der Woche viel cooler: Noch zehn Kilometer Rest-Reichweite? – Das reicht doch locker bis nach Hause.“
Dennoch sank die Bereitschaft, schon das aktuelle Fahrzeug durch ein Elektromobil zu ersetzen – von schmalen 7 auf nachher 5 Prozent. Woran fehlt’s? „Man braucht eine effektive Reichweite von 150 Kilometern, ein Maximaltempo von 120 km/h, die Schnellladefähigkeit. Und einen Preis von 25.000 bis 28.000 Euro inklusive der Batterie“, skizziert Sourkounis das Wunschbild der Bochumer Forscher. „Bis auf den Preis ist das alles schon so machbar. Aber jedes neue Fahrzeug drückt ihn – durch die Konkurrenz des BMW i3 ist auch der Ampera bereits um fast 8.000 Euro billiger geworden.“
Trotzdem: Wenn man bis 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf der Straße haben wolle, müsse man den Kauf subventionieren. So wie damals mit der Verschrottungsprämie.
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