Die abstrakt gestische Kunst des „Informel“ liegt ein halbes Jahrhundert zurück, aber ganz vergessen sind ihre Hauptvertreter zum Glück auch heute nicht. Irgendwo wird dieser Zeitstil immer wieder mal hervorgeholt, ganz aktuell im Gustav-Lübcke-Museum mit den Malereien und Zeichnungen von Hans Kaiser. Kaiser ist vor 40 Jahren gestorben. Sein künstlerischer Nachlass befindet sich hier, zur Aufarbeitung wurde ein Forschungsvolontariat eingerichtet, begleitet von gleich zwei Ausstellungen im weitläufigen Hammer Museum, die von einem Symposium flankiert wurden. Das alles verdeutlicht, dass es verschiedene Wege gibt, sich seinem Werk zu nähern.
Seine Malerei umfasst nach realistischen und sodann motivisch verknappten Anfängen seit den 1950er Jahren expressive, an gegenständliche Erfahrungen erinnernde und sich dabei zu Farbfetzen auflösende Darstellungen, aber auch dichte Landschaften, die aus intensiv glühenden Farbflächen bestehen. Eine Eigenheit Kaisers sind skripturale Bilder, beruhend auf einer unruhig fließenden Linie, die teils als Text zu entziffern und teils erfundene, freie Zeichnung aus dem Handgelenk heraus ist. Den größten Ruhm aber hat Kaiser mit seinen Kirchenfenstern erlangt. Das von außen in den dunklen sakralen Raum flutende Licht bringt die Farben auf den Glasscheiben erst recht zur Geltung. Als Kaisers Hauptwerk gilt das „Dickinson Window“ in der Kathedrale von Washington (1976). Die Kartons in Graphit und Gouache befinden sich ebenfalls im Museum in Hamm und unterstreichen, dass die Farben, ihre Tiefe und Leuchtkraft und die Entwicklung eines Bildraumes zentrale Aspekte überhaupt seines Werkes sind.
Im Gustav-Lübcke-Museum sind die beiden Ausstellungen jetzt parallel zu sehen. Die eine widmet sich dem Dialog mit den weiteren Künstlern der Sammlung, dargestellt in Gegenüberstellungen mit deren Bildern und im Herausarbeiten der wechselseitigen Beziehungen, sei es in Kaisers' Hommage an Otto Piene oder in Josef Albers' schriftlichem Kompliment der Glaskunst Kaisers. Genauso wichtig aber ist die Erkenntnis, dass sich Hans Kaiser gut in der Riege der Starkünstler des „Informel“ – von Hoehme bis Schumacher – hält. In die gehaltliche Tiefe seines Werkes geht dann die kompakte Einzelausstellung im Studio. In dichter, stilistisch konfrontierender Hängung treffen die frühe Gegenständlichkeit und die kubistischen, noch vom Bauhaus angeregten Vereinfachungen auf die Experimente der 1950er Jahre.
Die Beschäftigung mit dem Licht, die Kaiser ab 1951 durch Paris-Aufenthalte und die dortigen Gemälde der Tachisten weiter vertieft hat, ist schon davor in quasi pointillistischen Setzungen bei der Figurendarstellung belegt – großartig umgesetzt ist das beim Selbstporträt. Gleich an verschiedenen Stellen der Ausstellung wird seine Beschäftigung mit Schrift, auch das Schreiben eigener Gedichte in die Präsentation eingefügt. Nicht alles überzeugt, was Kaiser geschaffen hat. Aber dass hier ein Vollblutmaler am Werk war, der die Grenzen der „informellen Malerei“ auf eigene Weise ausgelotet hat und stets verbindlich geblieben ist: Das ist ersichtlich und sehenswert.
Hans Kaiser: Im Dazwischen, bis 11.9. im Studio | Sammlungsdialoge, bis 13.11. im Kabinett | Gustav-Lübcke-Museum Hamm | 02381 17 57 14
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