Zwischen all den Schauen, die sich zuletzt der Kunst des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts gewidmet haben, schien die Ausstellung, die das Gustav-Lübcke-Museum zum Menschenbild des Expressionismus zeigt, fast unterzugehen. Schade wäre das: Ausgesprochen eindringlich und sorgfältig wird hier ein zentrales Thema der jüngeren deutschen Kunst präsentiert und anschaulich geschildert. Der Expressionismus als Stil, der alle kulturellen Sparten umfasst, ist in Deutschland auf das frühe 20. Jahrhundert zu datieren, er umfasst die Zeit der gesellschaftlichen Aufschwün ge und der sozialen Abstürze und den Ersten Weltkrieg mit seinen Folgen.
Die Ausstellung in Hamm nun geht – diesseits der Künstlergruppen Brücke oder „Blauer Reiter“ – mit ihren eigenen Beständen, ergänzt um museale Leihgaben, gezielt der Frage nach, wo der Mensch in diesem Auf und Ab bleibt. Sie konzentriert sich auf Gesichter und die menschliche Konstitution, und sie zieht den damals gängigen Verweis auf den Leidensweg Christi hinzu. Es gibt den dramatisch leuchtenden, aus der Malbewegung herausgeschälten „Sitzenden Juden“ bei Wilhelm Morg - ner und die harten Schwarz-weiß-Kontraste der Holzschnitte von Felixmüller und Mense. Ohnehin gelten Holz- und Linolschnitte im Expressionismus als adäquate Darstellungsmittel.
Die Ausstellung kommt aber auch auf weniger Bekanntes zu sprechen, etwa auf Heinrich Schelhasse mit seiner virtuosen Lichtregie oder auf Hermann Stenner, der 1924 mit gerade 23 Jahren im Krieg gefallen ist. Bilder wie die „Aufbahrung“ und die „Verspottung Christi“ zeigen, was für ein enormes Talent in ihm heranwuchs und wie weit er sich schon in die Abstraktion hineinwagte. Ein weiteres Kapitel der Ausstellung sind die Bronze- Skulp turen von Otto Gutfreund oder Ernst Barlach. Vielleicht hätten sie nur etwas mehr Aufmerksamkeit verdient. Aber sie sind da und weisen darauf, wie nahe beieinander die Zer fur - chung des Hauptes und die Innigkeit im Expres - sionismus liegen. Ein sehr guter Einstieg ins Thema.
„Genuss. Empfindung. Aufbegehren. Menschenbilder im Expressionismus“ bis 24.3. | Gustav-Lübcke-Museum in Hamm www.hamm.de/gustav-luebcke-museum
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