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Gern im Pott unterwegs: Goodbye Fairground
Foto: Sehriye Cetin

"Naivität ist eine der großen Stärken dieser Band"

15. Mai 2013

Benjamin Bruns von Goodbye Fairground im Interview - Musik 05/13

Aus der Asche Paraquats entstanden Goodbye Fairground. Nach Jahren der absoluten Hingabe erntet die Punk/Hardcore-Band aus Essen nun ihren verdienten Lohn: Ihr neues Album erschien im März ganz offiziell nicht in Eigenregie, sondern über das Independent-Label Concrete Jungle Records. Die Reaktionen auf Platte und Konzerte sind durchweg postitiv. Goodbye Fairground-Sänger Benjamin Bruns sprach vor dem Auftritt der Band auf dem Queer Beat-Festival in der Bochumer Zeche u.a. über Bandgeschichte, das neue Album und die Konzertlandschaft im Ruhrgebiet.

trailer: Wie hat alles bei euch angefangen?

Benjamin Bruns: Unser Gitarrist Jan und ich haben uns Ende 2005 zusammengesetzt, weil wir seit Ewigkeiten befreundet waren und schon zigmal irgendwas zusammen starten wollten, was nie wirklich geklappt hat. Er spielte zu der Zeit bei Audiodine und ich in zehn Bands, die mehr in meinem Kopf und weniger in der Realität existierten und wir beschlossen, irgendwas akustisches zu machen. Nach zwei oder drei Treffen war aber klar, dass wir doch lieber mit einer kompletten Bandbesetzung arbeiten wollten und so kamen zunächst Julia als Schlagzeugerin und Christoph als zweiter Gitarrist dazu, später Alex von Audiodine als Bassist. Letzterer wechselte dann an die Gitarre und Benny wurde unser Bassist. Mittlerweile ist Christoph nicht mehr dabei. Wir kommen eigentlich alle aus dem Punk- und Hardcorebereich. Trotzdem hören wir alle ziemlich unterschiedliche Sachen. Jan ist Pearl Jam-Fan, Alex von Radiohead besessen und hört auch sonst viel Jazz und klassische Musik.

Was war und ist eure Hauptmotivation Musik zu machen?

Ich kann in Sachen Motivation nicht für alle sprechen, aber in meinem Fall ist es so, dass ich überhaupt nicht weiß, was ich sonst tun sollte. Ich will Lieder schreiben und die anderen Leuten vorspielen. Etwas Schöneres kann ich mir gar nicht vorstellen.

Euch gibt es bereits seit 2006, damals noch unter dem Namen „Paraquat“. Wieso habt ihr euch irgendwann entschieden die Band umzubenennen?

Der alte Name war mehr oder weniger aus der Not geboren und wir wussten nicht, dass er geschützt ist. Es handelte sich dabei um ein Pestizid, durch das auch heute noch jährlich Dutzende Menschen sterben. Auch das wussten wir nicht und als wir es dann wussten, wollten wir so was nicht auch noch bewerben und entschlossen uns zu einer Namensänderung. Du merkst, Naivität ist eine der großen Stärken dieser Band. „Goodbye Fairground“ war der Titel unseres ersten Albums und lag daher nahe. Wir alle mochten den Namen immer, da er zwar ziemlich vage ist, aber auch ziemlich starke Bilder hervorruft.

Ihr seid seit kurzem zum ersten Mal bei einer Plattenfirma unter Vertrag. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Concrete Jungle Records?

Concrete Jungle haben uns kontaktiert und wollten uns treffen, gerade als wir das Album selbst veröffentlichen wollten. Sie haben uns dann in Bochum zu vegetarischem Sushi eingeladen und ab da wussten wir eigentlich, dass wir mit ihnen zusammenarbeiten wollen. Es stellte sich heraus, dass sie verdammt hart für uns bzw. unseren gemeinsamen Erfolg arbeiten und darüber hinaus menschlich großartig sind. Wir haben den Schritt also nie bereut.

Was soll uns der Albumtitel „I Started With The Best Intentions“ verraten? Was sind die textlichen Hauptmotive auf dem Album?

Der Titel hat, wenn man so will, zwei Ebenen. Auf der einen Seite geht es um das tatsächliche Wegbewegen von einem Ort zu einem anderen, auf der anderen ums schlichte Anfangen einer Tätigkeit. Das Album handelt von einem Mann, der seine sichere Existenz mit Job, Ehefrau und Eigenheim hinter sich lässt, um in der weiten Welt das Abenteuer zu suchen oder auch nur sein eigenes, viel zu früh abgebrochenes „Jungsein“ zu zelebrieren bzw. wiederzufinden. Der Ausgangspunkt für diese Geschichte war mein eigenes Leben und die Überlegung, wie es wohl verlaufen wäre oder würde, wenn ich statt einer Band auf eine Karriere gesetzt hätte. Es geht in den einzelnen Songs oberflächlich viel ums Feiern und ums Trinken, aber damit einhergehend vor allem um Einsamkeit, Heimweh, Fernweh und der ewigen und zum Scheitern verurteilten Suche nach irgendeinem Sinn. Ich fürchte, dass sich das hier zusammengefasst alles ganz furchtbar banal liest, von daher wäre es toll, wenn sich da jeder selbst anhand der Texte einen Eindruck verschafft oder auch gerne mich darauf anspricht. Ich erkläre gerne alles im Detail.

Wie waren die ersten Konzerte mit Label und Platte im Rücken?

Die meisten Konzerte waren richtig gut. Ein Highlight war sicherlich die Show im Molotow Hamburg. Es lief eine Menge schief im Vorfeld, wir waren alle krank, hatten Probleme mit dem Van und wussten überhaupt nicht, was wir erwarten sollten. Am Ende war das Konzert ausverkauft und wildfremde Menschen haben sich bei mir fürs Spielen bedankt. Ich konnte zwar nicht mehr antworten, da mein Hals brannte und zugeschwollen war, aber sowas tut natürlich wahnsinnig gut.

Ihr nennt Essen eure Heimatstadt. Wir seht ihr die Konzertlandschaft des Ruhrgebiets?

Ich habe das Gefühl, dass die Konzertlandschaft immer trostloser wird. Es gibt natürlich immer noch ein paar tolle Clubs, in denen auch Bands wie wir spielen können. Exemplarisch seien hier das AZ in Mülheim, der Panic Room in Essen oder das Djäzz in Duisburg genannt. Ansonsten fällt aber schon auf, dass man hier eher mal einen Veranstaltungsort zumacht (zuletzt das Jugendzentrum Essen), als Jugendkultur und alternative Musik zu unterstützen. Es gibt in Essen z.B. eine Menge Leute, die sich wirklich bemühen, gerade auch kleineren, lokalen Bands ein Forum zu gebe. Im Endeffekt sind aber finanziell vermutlich auch die Hände gebunden. In anderen Städten ist es wesentlich einfacher kleine Konzerte zu spielen. Münster z.B. ist mittlerweile ein Paradies für Bands, gerade aus dem Bereich Punk und Hardcore. Zum einen haben die Leute dort wirklich Bock auf diese Musik und zum anderen gibt es Firmen und Kollektive wie „Stahl & Panik“, „Cheap Shot“ und „Homesick Designs“ oder eben Clubs wie die Baracke, die immer wieder etwas auf die Beine stellen oder Bands beim Auf-die-Beine-Stellen unterstützen und das meist aus reiner Nächstenliebe. Es wäre toll, wenn man das hier auch hinbekommen würde, ohne dass man sich gegenseitig Steine in den Weg legt. Ich spiele gerne im Ruhrgebiet und ich freue mich dass wir im Moment hier ja auch wieder öfter spielen können.

Am Sonntag spielt ihr in der Zeche Bochum, auf dem Queer Beat-Festival, organisiert vom Rosa Strippe e.V. Wie kam es zu diesem Engagement? Kennt ihr den Verein schon länger?

Ja, ich kenne die Rosa Strippe schon etwas länger, da ich Freunde habe, die sich dort engagieren. Ich finde es bewundernswert und wichtig, was dort geleistet wird und dementsprechend haben wir uns sehr über die Anfrage gefreut. Ein Konzert zu spielen ist natürlich die angenehmste und einfachste Art, jemanden in seiner Arbeit zu unterstützen, aber vielleicht inspiriert unsere Teilnahme ein paar unserer HörerInnen dazu, sich mit dem Hintergrund der Rosa Strippe auseinander zu setzen.

Am Sonntag werden sicherlich nicht ausschließlich AnhängerInnen von Punk-Musik anzutreffen sein. Was sind eure Erfahrungen mit genrefremdem Publikum?

Das stimmt und ich finde es ziemlich spannend. So gerne ich natürlich klassische Punkshows spiele, freue ich mich sehr auf dieses Konzert. Keine Band, kein(e) KünstlerIn gleicht der Anderen und es erfordert sicherlich auch eine Menge Aufgeschlossenheit vom Publikum, allen ein Ohr zu leihen. Im Idealfall stößt man so aber auf Musik, der man sonst keine Chance gegeben hätte und das wäre natürlich super. Unsere Erfahrungen sind ziemlich vielfältig. Wir hatten schon Shows, wo Leute nachher zu uns kamen, denen es richtig gut gefallen hatte, obwohl sie nie vorher bewusst eine Punkband gehört hatten und natürlich auch solche, wo die Leute mit verschränkten Armen am äußersten Rand der Halle standen und versuchten, uns mit bösen Blicken von der Bühne zu jagen. Für Sonntag bin ich aber guter Dinge, auch wenn ich nicht gerne auf hohen/großen Bühnen spiele, sondern lieber auf Augenhöhe und/oder Arm in Arm mit dem Publikum.

Was gibt es in naher Zukunft von euch zu sehen/hören?

Wir spielen im Sommer ein paar Festivals und ansonsten immer mal wieder ein paar Wochenendshows. Gegen Spätsommer/Herbst wird es eine neue Single geben und wir gehen hoffentlich auf ein paar ausgedehnte Touren. Ich weiß nicht, ob Du mir das noch als „nahe Zukunft“ durchgehen lässt, aber da die Planungen dazu schon laufen, zählt es hoffentlich.

Nächster Auftritt von Goodbye Fairground: Queer Beat Festival | 19.5. ab 18 Uhr | Zeche Bochum | Prinz-Regent-Straße 50-60, Bochum | www.zeche.com

Homepage von Goodbye Fairground: goodbyefairground.bandcamp.com

Interview: Benjamin Knoll

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