Um das unverdrossen vorgetragene Ziel von einer Million emissionsarmer Elektro-Fahrzeuge in Deutschland bis 2020 überhaupt zu erreichen, setzt die Bundesregierung auch auf Hybride. Was beim Pkw allmählich an Breite gewinnt, steckt im öffentlichen Nahverkehr derzeit in der Sackgasse. Statt der Batterie-Diesel-Busse bevorzugen Rhein-Ruhr-Verkehrsunternehmen nach einem geförderten Hybrid-Feldversuch aus Kostengründen wieder konventionelle Modelle. Innovation: durchaus auch in neuartiger Leichtbauweise.
Drei Jahre hatte der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) richtig Geld in die Hand genommen, seinen Unternehmen die Anschaffung von Sprit sparenden Hybridbussen zu erleichtern: Exakt 30 Millionen Euro flossen als Zuschuss für den Kauf von 59 Gelenk- und elf Solo-Bussen. Der Auftragsschub – allein 29 Exemplare stammten vom polnischen Hersteller „Solaris“, weitere 23 steuerte die Daimler-Tochter „EvoBus“ bei – habe geholfen, „die Hybride von der Vorserie in den Serienstatus zu bringen“, sagt VRR-Sprecher Johannes Bachteler. Will heißen: Die Technik reifte erst mit dem Einsatz beim Kunden.
In einer aktuellen Auswertung resümiert der VRR, dass „sowohl Kraftstoffeinsparungen als auch eine Reduktion von Abgas- und Geräuschemissionen erreichbar sind.“ Allerdings sei auch klar geworden, dass noch weitere Entwicklungen erforderlich seien. Sehr freundlich formuliert … angesichts der Unzufriedenheit, die bei mehreren Verkehrsunternehmen herrscht.
Die Spritersparnis dürfte sich jedenfalls nur in seltenen Fällen in der erhofften Größenordnung von zehn Prozent und mehr abspielen. So hatte beispielsweise die Düsseldorfer Rheinbahn zehn Hybride geordert und im laufenden Betrieb eingesetzt. Besonders drei Exemplare mit seriellem Hybrid, bei dem ein Dieselmotor stets die nötige Energie für den Elektroantrieb erzeugt, sollen eine ziemliche Enttäuschung sein. Bernd Winkelmann von der Dortmunder DSW 21 bestätigt die Erfahrungen der Landeshauptstädter. Man sei „mit dem Erfolg bei weitem nicht einverstanden.“ Aber auch der Typ mit parallelem Hybrid, also dem Switchen von Elektro- und Dieselantrieb, habe sich „als nur leicht besser“ dargestellt.
Woran liegt’s? Fahrerinnen und Fahrer wurden flächig geschult, um optimal mit dem neuen Gerät umzugehen. Während man bei der Bogestra (Bochum/Gelsenkirchen) mit dem Ergebnis zufrieden ist, trotzdem aber Ribas-Energieverbrauchsanzeigen nachrüstet, bemängelt Bernhard Kuphal von den Krefelder Stadtwerken, dass das fahrende Personal noch sehr den Verlockungen des großen Drehmoments der Elektroantriebe erliege. Zudem sperre das Batteriemanagement eine Entladung auf weniger als 55 Prozent. Mit der Folge, dass öfter als nötig „gedieselt“ werden müsse. In Dortmund prüfte DSW 21, ob Streckenprofile mit Berg- und Talfahrt andere Hybrid-Verbrauchswerte generierten als jene in der Ebene. Das Ergebnis: „Der Unterschied war marginal.“
Nicht nur Rheinbahn-Sprecher Georg Schumacher blickt kritisch auf Anschaffungspreise von derzeit noch 700.000 Euro für den geräumigen Gelenkbus: „Der Liter Diesel müsste drei Euro kosten, damit sich das rentiert. Nach ein paar Jahren kommen ja auch noch 70.000 Euro für den Akkutausch hinzu. Ökonomisch ist das Wahnsinn.“ Nur die Zuschüsse des VRR hätten die Testflotte ermöglicht. „Wir haben doch sowieso große Finanzierungsnöte an allen Ecken und Enden. Da sollte das Geld besser dorthin fließen, wo die ÖPNV-Strukturen es dringend brauchen.“
Nun wolle sich die Rheinbahn ja nicht dem Fortschritt verschließen. So habe das Unternehmen zwei Elektrobusse bestellt – späte Nachfolger einer schon in den Siebziger Jahren des alten Jahrhunderts praktizierten Idee: „Mit zwölf Tonnen waren die Batterien damals so schwer wie der gesamte Bus. Sie wurden daher auf einem separaten Anhänger mitgeführt.“ Die neuen Akkus taugen wegen der begrenzten Reichweite aber auch nur für begrenzte Einsätze.
Wirtschaftlich interessanter sind derzeit Leichtbau-Busse vom Typ „Ambassador“, die Rheinbahn ebenfalls seit über zwei Jahren testet – und von denen sie just 60 Exemplare bestellt hat. Durch einen Edelstahlrahmen sowie Fiberglas- und Hartschaumplatten bringen die gewichtsreduzierten Transporter ein Viertel weniger auf die Waage. Auch kleinere Räder und Bremsen tragen dazu bei, dass der kalkulierte Verbrauch um 25 Prozent auf 31 Liter sinkt. „Außerdem küssen uns unsere Werkstatt-Jungs die Füße“, sagt Schumacher, „weil sie einfach überall problemlos drankommen.“ Leider gibt es die Leichtgewichte noch nicht als Lang-Version.
Wohin man schaut: Hybridbusse sind in der Neubeschaffung aktuell nirgendwo mehr ein Thema. Die Verkehrsunternehmen setzen vorläufig wieder auf konventionelle Dieselaggregate, die als ausgereift gelten und per Harnstoff-Zugabe bessere Abgaswerte als die Euro-5-Norm erzielen. Und was ist mit Erdgas? „Lohnt sich nicht“, sagt der Dortmunder Winkelmann. „Dafür müssten wir die Werkstatt komplett umbauen.“ Bleibt also noch die Kombination von Brennstoffzelle und Wasserstoff, so wie man sie derzeit in Hamburg ausprobiert. Aber für die jährlichen Beschaffungspläne sind diese Exoten noch kein Thema. Zu teuer.
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