Dass es beim Science Slam nicht nur um witzige Vergleiche aus der Welt der Tiere mit unserer Gesellschaft geht, bewies die zweite virenbedingte Online-Ausgabe des Uni-Referate-Wettbewerbs. Vier Teilnehmer sendeten am Dienstag, 28.03.2020, aus dem Dortmunder Luups-Büro ihre Vorträge zu mehr oder weniger wissenschaftlichen Themen in den Facebook-Stream. „Offen & Ehrlich“ lautete das Motto und so ging es vor allem um Kommunikation und Digitalität. Themen waren Dummheit, Demokratie, digitale Communities und die Kolonialisierung Afrikas.
Bei einem Science-Slam präsentieren Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen ihre eigene Forschung und buhlen mit möglichst spannenden Themen, pfiffigen Präsentationen und geistreichen Vorträgen um die Gunst des Publikums. Mit diesem Format, das derzeit eigentlich auf Deutschlandtour gehen sollte, verlässt die Wissenschaft ihren universitären Elfenbeinturm. Das Vehikel, das sie dabei oft nutzt, ist der Humor, der ja bekanntlich oft und effektiv Inhalte zu den Menschen trägt. Tatsächlich ist Humor dabei aber nicht alles, wie diese Show zeigte.
Sieger der Online-Abstimmung wurde mit 38 Prozent der Stimmen Julien Bobineau, Rassismusforscher von der Uni Würzburg. Als er darüber aufklärte, wieso wir bei dem Schlagwort „Afrika“ an Savanne, Löwen und Kindersoldaten denken statt an wachsende Wirtschaft und quirlige Metropolen, legte er keinen besonderen Bühnenhumor an den Tag. Vielmehr hatte er den Ton eines lockeren Dozenten, der mit flapsiger Sprache seine Studenten erfolgreich davon abhält, die Vorlesung zu verschlafen. Hier noch eine unerwartete Illustration in der Präsentation, und wir wissen Bescheid, dass unser Bild vom afrikanischen Kontinent noch immer aus der Kolonialzeit stammt. Die unzivilisierten Schwarzen könne man einfacher ausbeuten, als wenn man sich eingesteht, dass sie auch eine voll entwickelte Kultur haben. Wer Stereotype erkennt, kann gegen Rassismus vorgehen – mit einem Aufruf zur Zivilcourage schloss der Vortrag. Das kam bei den Online-Zuschauern anscheinend an, die auch über ein paar inhaltliche Ungereimtheiten beim „Fakten-Check Afrika“ hinwegsahen und den promovierten Wissenschaftler zum Sieger des Abends kürten.
Ganz ohne Humor kam der zweitplatzierte Moritz Kirchner aus. Der Demokratieforscher aus Potsdam nahm sich ein aktuelles Thema zur Brust: „Die Coronakrise und die Zukunft der Demokratie“. Seine Prognose: nicht sehr optimistisch. Kurzfristige Effekte sehen wir derzeit, da wir den Science Slam online gucken müssen („Es ist aber fast alles wie immer, dasselbe Live-Erlebnis – nur von zu Hause, wo die Getränke billiger sind“, kommentierte das Moderator Rainer Holl). Mittelfristig ist mit einem Aufschwung der AfD zu rechnen, die im Nachhinein alles besser gemacht haben will. Ein interessanter Aspekt: Zwar spricht Kirchner Drosten und anderen führenden Virologen die Kompetenz nicht ab, aber demokratisch legitimiert ist ihre Einflussnahme auf die Politik nicht. Und langfristig schließlich, so der Schnellsprecher Kirchner, müsse man zusehen, dass die demokratischen Grundwerte und Grundrechte wiederhergestellt werden. Und er schließt mit dem zweideutigen: „Freiheit stirbt mit Sicherheit.“
Etwas weniger wissenschaftlich ging es bei den übrigen zwei Teilnehmern zu. Sebastian 23 ist als Poetry-Slammer bekannt und Nora Breuker berichtete von ihren Erfahrungen als Expertin für Community-Management. Der eine setzt sich mit der Dummheit der Menschen auseinander, die andere mit der Bosheit. Als „Dummheitswissenschaftler“ unterscheidet der Bochumer sechs Arten von Dummheit. Auf dem Gipfel des „Mount Stupid“ präsentiert er Verkehrsminister Andreas Scheuer – natürlich nicht, ohne das plausibel zu begründen. Definitiv der unterhaltsamste Vortrag der Show, wenngleich hier die Definitionen von Wissenschaft und Forschung weit über den üblichen akademischen Rahmen ausgedehnt wurden. Ähnliches gilt für den Vortrag von Nora Breucker, die live im Studio präsentierte, während die anderen Teilnehmer im Vorfeld einzeln aufgezeichnet wurde. Statt Witz wählt sie persönliche Erfahrungen als Mittel, um ihre zehn Minuten lebendig zu gestalten. Als Community-Managerin wurde sie jeden Tag, monatelang beschimpft, beleidigt und belästigt. Ein Nutzer manipulierte sogar ihr persönliches und berufliches Umfeld. Damit steht sie nicht allein da. Es ist ja so, dass der Bildschirm als Mittel zu funktionieren scheint, der einem gestattet, alles zu sagen, was man sich nie trauen würde jemandem ins Gesicht zu sagen. Daher lieferte sie konkrete Beispiele, wie man mit „hate speech“ im Netz umgehen kann, als normaler Nutzer aber auch als Community-Manager oder Moderator: Das Wichtigste: Dokumentieren! Bildschirmfotos helfen, die Hass-Säer verantwortlich zu machen.
Die Abstimmung ist vorbei, aber die Aufzeichnung des Streams ist immer noch auf Facebook zu sehen unter: bit.ly/ScienceSlamoffenundehrlich
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