Der Kurator
Dr. Heinz Liesbrock ist seit 2003 Direktor des Josef Albers Museums. Er studierte Kunstgeschichte, Amerikanistik und Literaturwissenschaft in Bochum, Swansea und Washington und war Leiter des Westfälischen Kunstvereins, Münster.Die Bilder umfangen den Betrachter von allen Seiten. Sie füllen die Wände komplett, auch in der Höhe, und erinnern mit ihren wie eingeritzten Chiffren vielleicht sogar an eine reichverzierte Grabkammer im Tageslicht. Die Linien mit ihrer verwaschenen, versickerten Tusche sind teils wie hingehuscht gezogen und teils fest, kantig gefügt. Auf der einen Seite des Raums sind hochaufragende vegetative, figurative Strukturen gegeben, die an die Skelette urzeitlicher Tiere erinnern könnten. Auf der anderen Seite des Raums befinden sich rabenschwarze Leinwände oder auch Bilder, die weiße Bahnen im hell gestrichenen Feld aufweisen. Die Bildsprache bleibt im gesamten elementar, dabei zeichenhaft und in ihren milden Tonwerten wie der Abdruck der Vergangenheit für die Ewigkeit. So sah der zentrale Raum im Museum Quadrat in Bottrop noch nie aus. Aber er fügt sich wie selbstverständlich in die Reihe der vorausgehenden Ausstellungen und zugleich in die Aura und Stille der Bilder des berühmten „Hausherren“ Josef Albers – als wäre die Malerei-Installation extra für diesen Ort und Dialog entstanden.
Der 1971 in Linz geborene Tobias Pils erhält hier seine erste Einzelausstellung in einem Museum in Deutschland. Pils ist ein Shootingstar im Kunstbetrieb, seit seiner Schau in der Wiener Secession 2013. Er wurde bei den Galerien von Eva Presenhuber in Zürich und New York sowie von Friedrich Petzel in Berlin vorgestellt und hat in diesem Jahr noch Einzelausstellungen in der Kunsthalle Krems und in Le Consortium in Dijon – Orte, die auf Avantgarde, das spektakulär Unerwartete schließen lassen. Aber Gott sei Dank funktioniert der Kunstbetrieb dann doch etwas differenzierter. Überhaupt, wo auf Beschleunigung gesetzt wird, entschleunigt Pils. Und schon ist man in den Denkräumen dieser Bilder verfangen. Kennzeichnend ist die Repetition und Variation eines relativ festen Vokabulars mit Ausdrucksformen, denen in ihrer Bild- und Zeichenhaftigkeit alle Zeit der Welt anhaftet. Pils' visuelles Vokabular transzendiert Erfahrungen der sichtbaren Welt und bleibt doch ganz und gar abstrakt und streckenweise konstruktiv orientiert, immer aber offen für ein rein visuelles Begreifen, das sich durch die verschiedenen Ereignisebenen tastet und formale Beziehungen herstellt.
Der Kurator
Dr. Heinz Liesbrock ist seit 2003 Direktor des Josef Albers Museums. Er studierte Kunstgeschichte, Amerikanistik und Literaturwissenschaft in Bochum, Swansea und Washington und war Leiter des Westfälischen Kunstvereins, Münster.
Das gilt ganz besonders für Pils' Malereien in der Modernen Galerie: dem vorderen Glaskubus. Die großen, ja, überwältigenden Leinwandbilder dort gehen zurück auf seinen letztjährigen Aufenthalt in der Chinati Foundation im texanischen Marfa, wo er sich intensiv auf die karge und flache Landschaft eingelassen hat. Die meisten dieser Bilder entfalten eine ganz eigene lapidare, irgendwie spröde und doch sinnliche Attraktivität. Sie kommen uns so vertraut vor und sind doch fremd. Verbindend für diese Serie ist ein partienweiser Rückbezug auf das Figürliche in seiner denkbar knappsten, fast schablonenhaften Form, ausgehend von der symmetrischen Anlage zweier zugemalter Kreise oder konturierter langgestreckter Bahnen: Pils selbst spricht dabei von „Marfa-Figuren“. Aber alles Anthropomorphe ist eingebunden in konstruktive Elemente, die etwa an Leitersprossen und Architekturgrundrisse denken lassen oder eine kybernetische Abfolge von Schaltsystemen suggerieren. Die Rasterungen und Reihen parallel geführter Striche sind einmal frei spielerisch gezogen, dann streng im seriellen Ablauf. Die Ebenen über dem bräunlichen Grund verschränken sich und sind Raum, besser: Räume vor leerem Grund – das erinnert noch an die konstruktiven Wandobjekte, die Hubert Kiecol in Bottrop vor einiger Zeit gezeigt hat. Aber natürlich ist es doch ganz anders. Nur, es handelt sich um verwandte Überlegungen zu Reihung und Variation, Schichtung und Raum, Verknappung hin zum Minimalistischen und komplexer Vertiefung. Und damit lässt sich neugierig von Gemälde zu Gemälde laufen. Also auch die so überraschende Ausstellung von Tobias Pils passt konsequent hierher. Und gut ist sie auch.
Tobias Pils. Untitled (Room) & Marfa Paintings | bis 3.9. | Josef Albers Museum Quadrat Bottrop | 02041 297 16
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Alles mit Stoff
Sheila Hicks in Bottrop und in Düsseldorf
Duisburger Tristessen
Laurenz Berges in Bottrop – Ruhrkunst 03/20
Der feine Unterschied
Ulrich Erben in Bottrop – Ruhrkunst 08/19
Einst in Ebel
Michael Wolf in Bottrop – Ruhrkunst 05/19
Figur abstrakt
Fuchs, Matherly und Pils in Bottrop – Ruhrkunst 12/18
Der Weg zum Quadrat
Phänomenal: Josef Albers in der Villa Hügel in Essen – kunst & gut 09/18
Heute ein Mythos
„Die im Schatten leben“ vom Rottstr 5 Theater – das Besondere 07/18
Struktur in der Landschaft
Axel Hütte in Bottrop und Düsseldorf – Ruhrkunst 11/17
Die Lyrik der Alltäglichkeit
Der Fotograf Claus Goedicke zeitgleich in Bottrop und Bochum – Ruhrkunst 03/17
Farbe im Raum, auf der Fläche
Jerry Zeniuk im Josef Albers Museum Quadrat Bottrop – kunst & gut 11/16
Thema mit Variationen
Hubert Kiecol im Museum Quadrat in Bottrop – kunst & gut 08/16
Alltag, sachlich
Walker Evans in Bottrop – RuhrKunst 10/15
Aus zwei Sammlungen
Das frühe 20. Jahrhundert im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 11/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
„Mangas sind bei der jungen Leserschaft die Zukunft“
Leiter Alain Bieber über „Superheroes“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 11/24
Der Künstler als Vermittler
Frank van Hemert in der Otmar Alt Stiftung in Hamm-Norddinker – kunst & gut 10/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
„Weibliche und globale Perspektiven einbeziehen“
Direktorin Regina Selter über „Tell these people who I am“ im Dortmunder Museum Ostwall – Sammlung 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
„Jeder Besuch ist maßgeschneidert“
Britta Peters von Urbane Künste Ruhr über die Grand Snail Tour durch das Ruhrgebiet – Sammlung 09/24
Orte mit Bedeutung
Zur Ruhrtriennale: Berlinde De Bruyckere in Bochum – kunst & gut 09/24
Denkinseln im Salzlager
Osteuropäische Utopien in Essen – Ruhrkunst 08/24
Ausgezeichnet auf Papier
Günter Drebusch-Preis 2023 in Witten – Ruhrkunst 08/24
Räume und Zeiten
Eindrucksvoll: Theresa Weber im Kunstmuseum Bochum – kunst & gut 08/24