Die Qualität eines Konzerts lässt sich am eigenen Zustand am Tag danach ablesen. Für Klassik oder Jazz mag das nicht zutreffen. Wer aber nach einem Punkrockkonzert in der Verfassung zum Verfassen einer Rezension ist, hat etwas falsch gemacht.
Der Panic Room mit seinem stilechten Ambiente und morbiden Charme hat sich im letzten Jahr als gute Adresse für Punkrock, Rockabilly, Ska und Rock empfohlen. Bambix waren hier, Rockabilly Mafia kommen im Herbst 2013 wieder, die Veteranen von GBH gaben sich die Ehre. Dies spricht sich rum. Ob man sich in dem Pogopitraum vor der Bühne tummelt oder von der oberen Tribüne das bunte Treiben mit Bier bekleckert, der Laden ist voll, auch als am 16.3. das Deutschpunktrio Kotzreiz zu Gast ist.
Die Radio Dead Ones liefern mit ihrem englischsprachigen, sanft in Richtung Streetpunk tendierenden Stil um den putzigen Frontpunk mit dem Schalk im tätowierten Nacken einen passenden Support für die Berliner Hauptattraktion des Abends. Als Kotzreiz antreten, ist die Stimmung bereits gut angeheizt. Mit zwei Alben im Gepäck, sichtlich guter Laune und einem soliden Astra-Pegel geben Fabi, Tom und Chris von Anfang an Gas, verteilen bei „Pfeffi Graf“ großzügig Schnaps und feiern sich und das Publikum. Erfolg und Polarisation von Kotzreiz liegen aber kaum am Verteilen von Gratis-Spirituosen, sondern in ihren Texten und der augenzwinkernden Attitüde.
Die wiederkehrenden Motive des Punks fehlen nicht. Die heilige Dreifaltigkeit aus Dosenbier, Gesellschaftskritik und Kodderschnauze versteht sich von selbst. Aber wenn eine Hymne an den Punk mit der Zeile „Hank liegt in der Pfütze/ das ist ihm scheißegal/ hier macht er sich’s gemütlich/ für’n Punk ist das normal“ beginnt, fühlt sich der eine oder andere auf das Stachelhalsband getreten. Den mal mehr mal weniger subtilen Sarkasmus, der beim Lauschen von „Du machst die Stadt kaputt“ oder „Punk bleibt Punk“ daheim verspürt werden mag, ist live aber sofort vergessen und an diesem Abend sind wohl nur Fans und keine Skeptiker vor Ort.
Der Pogopit bedankt sich für eine Portion Pfeffi gratis. Foto: KU Kasperszak
Kotzreiz wollen niemanden veräppeln, sondern Musik machen und sie feiern sich wie auch jedes selbstzitierte Klischee genüsslich. Musikalisch sind die neueren Songs gefühlt etwas raffinierter, der solide Deutschpunk knüppelt aber das gesamte Konzert über stets ordentlich nach vorne.
Zwischen „Berlin“ und „Montag: Scheißtag“ spritzen Bier und Schweiß, werden Mexikaner verschüttet, springt ein propperes Kerlchen von der Bühne und wird artig nach hinten durchgereicht. Iros wippen, Dreadlocks fliegen, die ein oder andere Mütze auch. Beinah sogar meine Brille, wäre nicht ein nobler Retter vor Ort gewesen. Wer Punk mit allem, was dazu gehört nicht mag, würde das kaum ertragen, geschweige denn genießen können.
Was bleibt ist ein ausgelassenes und dem Anlass angemessen knüppelvolles Publikum, das eine tolle Band feiert. Zudem viele blaue Flecken, komplett versaute Chucks und ein saftiger Kater. Wahrlich ein gelungener Abend und ein Schelm, wer Ironie dahinter vermutet.
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