Er ist der vierte in der Reihe, der nun endlich seine Frage an Robert Habeck ins Mikrophon sprechen darf: Der 12-jährige Schüler Emilio möchte wissen, ob der Bundesvorsitzende der Grünen ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen möchte? Doch da hat der junge Nachwuchsaktivist dem Spitzenpolitiker für einen kurzen Moment die Show gestohlen. Lauter Beifall folgt im randvollen Dietrich-Keuning-Haus, als der Schüler über sein regelmäßiges Engagement beim „Friday for Future“ erzählt, mit dem aktuell die Jüngsten gegen die Klimazerstörung streiken. „Ich wurde beurlaubt“, sagt Emilio, der trotzig weitermobilisiert: „Daher würde ich alle auffordern, ihre Eltern und Kinder dorthin zu schicken.“ Das beindruckt auch Robert Habeck: „Ich glaube, Du solltest lieber Bundeskanzler werden!“
Denn das war eine der Fragen, die dem Schriftsteller und Politiker an diesem Abend gestellt wurden. Eine neben vielen, entweder vorher bei einem DKH-Projekt beim Helmholtz-Gymnasium gesammelt, oder direkt vom Publikum gestellt: zehn Gäste stellen sich an der Schlange an, um ihre Fragen loszuwerden bei dieser neuesten Ausgabe des DKH-Talks unter dem Titel „Herr Habeck, was muss sich ändern?“
Und was bewegt die BürgerInnen? Sehr viele Themen: der Migrationspakt, die Rolle der Kretschmann-Grünen in Baden-Würtemberg, die bundesdeutsche Parteienlandschaft, Habecks Twitter- und Facebook-Abstinenz, der Pflegenotstand, die Zweistaatenlösung im Nahen Osten oder die einstige Radikalität der Grünen, bevor sie in die staatstragende Mitte rückten.
Robert Habeck geht angesichts der knappen Zeit nur kurz auf die gesammelten Fragen ein. Bedingungsloses Grundeinkommen, was der Nachwuchs-Grüne Emilio wissen wollte: Der Bundesvorsitzende plädiert für Experementierfreude und dafür, ein solches Modell eventuell etappenweise einzuführen: „Vielleicht führt es zu einer Grundsicherung, die bedarfsgerecht ist.“ Migrationspakt und die Asyldebatte? „Wir hätten die Fluchtwege nach Europa legalisiert“, sagt Habeck, dessen Partei seit Monaten in Umfragewerten triumphiert. Als Grund für diesen Zuspruch wird oft die Pragamatik der einstigen Friedensbewegegungsformation in tagespolitischen Fragen angeführt.
Und auch in Dortmund präsentiert sich der 49-Jährige als kompententer Politiker der Mitte, der scharfsinnig auf den Wandel der eigenen Partei zurückblickt: „Sie ist nicht gegründet worden, um aus dem Zentrum der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen“, sagt Habeck, der darin sogar einen Bildungsauftrag gegenüber CDU-Politkern sieht: „Jetzt muss ich denen erklären, was Soziale Marktwirtschaft ist.“ Das klingt dann fast nach Ludwig Erhard, wenn der Grünen-Co-Chef mit Slogans wirbt wie: „neuer Wohlstand, neuer Industriebegriff.“
Konservativ geprägt sind ebenso die Begriffe Heimat und Patriotismus, mit denen sich Habeck in seinen jüngsten Büchern auseinandergesetzt hat. Das sei aber auch als „Kampfansage“ zu verstehen, so der promovierte Philosoph: „Was Heimat bedeutet, das soll nicht die AfD, sondern das sollen die beantworten, die sich selbst hinterfragen. Heimat war nicht immer vergangenheitsorientiert.“ Dafür brauche es eine lebendige Diskussionskultur: „Mehr Streit, um wieder mehr Perspektiven in der Gesellschaft zu erreichen.“ Die aktiven Nachwuchskräfte sind zumindest da, wie Robert Habeck an diesem Abend erfahren konnte.
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