„Skurrile Situationen, für die es keine Worte gibt“
27. Juli 2017
Der Cartoonist Mordillo in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Sammlung 08/17
Er ist der Herr über die sentimentale Knollennase: der argentinische Zeichner Mordillo, der heute in Monaco lebt. Die Kuratorin Linda Schmitz spricht mit uns über die im September startende Ausstellung „Mordillo – The Very Optimistic Pessimist“ in der Ludwiggalerie.
trailer: Frau Schmitz, von Entenhausen ist die Ludwiggalerie zurück nach Oberhausen. Aber warum gerade jetzt eine Guillermo-Mordillo-Retrospektive? Linda Schmitz: Es wurde Zeit. Mordillo ist jetzt schon so viele Jahre nicht mehr in einem deutschen Museum gezeigt worden und wir verschreiben uns eben gern immer mal wieder dem Comic. Der argentinische Zeichner ist uns quasi über den Weg gelaufen und wir waren der Meinung, dass er bei uns eine Plattform bekommt.
Passt zu ihm nicht auch der Titel einer der vergangenen Museums-Ausstellungen: „Das ist doch keine Kunst“? Das ist eine Frage, der sich Comics und Cartoons immer wieder stellen müssen. Es wird darauf auch nie eine Antwort geben. Wir spielen ganz gerne damit, denn wir finden natürlich, dass Comic und Cartoon Kunst sind. Man kann also die Frage stellen und wir beweisen dann das Gegenteil.
Reicht denn Schmunzeln bei den Arbeiten Mordillos wirklich aus?
Linda Schmitz
Foto: Privat
Zur Person Linda Schmitz, in
Oberhausen geboren, machte an der Ruhr-Universität Bochum einen Master in
Kunstgeschichte und Erziehungswissenschaft. Seit 2010 ist sie studienbegleitend
in der Kunstvermittlung der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen tätig und seit diesem
Februar wissenschaftliche Volontärin. Mordillo ist dort ihr erstes
Ausstellungsprojekt.
Es ist nicht das Schmunzeln allein, das die Zeichnungen von Mordillo so besonders macht. Man schaut zwar drauf und schmunzelt erst einmal über irgendetwas, aber es sind auch diese tiefgreifenden und generellen Fragen über den Sinn des Lebens, die er aufwirft und die man aus den bebilderten Situationen ableiten kann, es sind auch viele kunsthistorische Themen verarbeitet wie die Sanduhr als Vanitas-Motiv. Und es sind immer sehr viele spannende Dinge versteckt auf den Bildern.
Also ist er mehr ein Karikaturist, wenn ich das mal so sagen darf, auch einer ohne Sprechblase? Karikaturist würde ich nicht sagen, weil er karikiert im eigentlichen Sinne nicht. Er transportiert in seinen Zeichnungen keine realen Figuren, sondern es sind mehr die vielen Situationen, mit denen er spielt, und in denen wir uns dann vielleicht alle auch wiedererkennen können. Aber genau, das stimmt, er kommt ohne Sprechblasen aus.
Und warum ist das so? Weil die Sprache des Humors, die der spricht, eine ist, die fast ausschließlich über Mimik und Gestik funktioniert. Seine Figuren stecken immer in skurrilen Situationen, die man eigentlich gar nicht beschreiben kann, für die es sowieso keine Worte gibt.
Aber ist die Bezeichnung „humoristischer“ Zeichner nicht eher negativ konnotiert? Ich wüsste nicht, warum. Das sind ja nicht einzelne witzige, humoristische Bilder, die er produziert. Also ich würde das Werk Mordillos in diesem Sinne nicht negativ konnotiert sehen.
Wie wird die Ausstellung aussehen, was wird gezeigt? Die Arbeiten Mordillos werden in unterschiedlichen Themenbereiche gezeigt, wie man sie auch aus seinen Bildern oder Bildbänden kennt. Da ist die Liebe, die Architektur spielt eine Rolle, wir werden aber auch sein Kinderbuch „Das Piratenschiff“ in der aktuellen Version von 2012/13 zeigen. Es sind viele aktuelle Arbeiten dabei, die erst nach der Jahrtausendwende entstanden sind. Wir zeigen in der Hauptsache originale Tinte-Zeichnungen, die er eigentlich selten herausgibt, dazu die Arbeiten als hochwertige Kunstdrucke. Einige der originalen Pastellzeichnungen stammen auch aus Sammlungen und sind Leihgaben. Dazu wird es noch einen Bereich mit seiner Biografie geben, wo der Besucher ganz genau nachzuvollziehen kann, welche Stationen der heute immerhin 85-Jährige durchlebt hat, welchen Wandel seine Zeichnungen vollzogen haben und wie er heute noch arbeitet.
Ist für einen international renommierten Zeichner wie Mordillo eher das Einzelbild oder dann doch die Publikation in Bänden wichtiger? Er erzählt ja keine langen Geschichten. Das heißt, es gibt nicht einen Band, wo eine einzelne Geschichte erzählt wird, sondern es sind immer die vielen Einzelbilder, die darin nebeneinander stehen.
Aber sie haben immer ein Oberthema? Ja, man kann sie durchaus zu einem Oberthema zusammenfassen und darum gibt es ja auch diese Zusammenfassungen und seine Auswahl dafür.
Das Lachen hat in der Ludwiggalerie eine lange Tradition. Was ist die Ursache dafür? Ich nehme an, unsere Chefin lacht gerne. Aber dahinter steckt natürlich auch die Tatsache, dass bisher nur sehr wenige Museen dem Comic eine Plattform geben, und so ist das für uns seit fast 20 Jahren ein ganz wichtiger Punkt.
Hat das auch etwas mit der Sammlung Ludwig zu tun? In der Auswahl eher nicht.
Wer wählt denn in dieser Reihe am Schluss die Ausstellungen aus? Das macht unsere Direktorin Dr. Christine Vogt.
Im Prinzip fehlen mir in Oberhausen jetzt nur noch die Mangas. Dann müssen wir das wohl mal in Angriff nehmen. Wobei wir uns bisher in der Hauptsache immer eher dem deutschen Comic verschrieben haben. Aber wir haben innerhalb der Comic- Themenausstellungen auch durchaus mal Mangas gezeigt. Insbesondere dann, wenn es um die Geschichte des Comics ging. Aber als Einzelaspekt ist das Thema sicher sehr interessant, weil wir ja auch wissen, dass Mangas gerade bei Kindern und Jugendlichen heute immer beliebter werden.
„Mordillo –The Very Optimistic Pessimist“ | ab 24.9. | Ludwiggalerie Schloss Oberhausen | 0208 412 49 28
INTERVIEW: PETER ORTMANN
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