Struth, Struth, Struth und kein Ende in Sicht. Der Fotograf, der in Düsseldorf bei den Bechers studierte, der in New York lebt und der eine Professur in der Landeshauptstadt absagte, ist in Nordrhein-Westfalen seit Jahren zu Recht allgegenwärtig. Gerade ging im Düsseldorfer NRW-Forum für Kultur und Wirtschaft die Ausstellung „Der Rote Bulli“ zu Ende, in der untersucht wurde, inwieweit die erste Generation der von Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie geleiteten Fotoklasse sich von US-amerikanischen Sujets und Bildkonzepten der 1970er und 1980er Jahre inspirieren ließ, da kündigt sich ein paar hundert Meter weiter in der Kunsthalle K20 mit „Thomas Struth – Fotografien 1978-2010“ bereits die nächste deutsch-amerikanische Bilder-Orgie an. Die zeigt rund 100 Arbeiten des international renommierten, aber auch kontrovers diskutierten Fotografen und gibt erstmals in Europa einen repräsentativen Überblick über dessen Gesamtschaffen. Die Werkschau hatte bereits Premiere im Kunsthaus Zürich, wurde aber für Düsseldorf um immerhin 20 neue Bilder erweitert.
Thomas Struth stellt mit seinen Fotos auch die Frage nach der Wahrhaftigkeit von Fotografie. Vieles fußt dabei auf medientheoretischen Schriften Walter Benjamins (siehe: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“, 1935), der die Wahrnehmung des Originals durch seine grenzenlose Verfügbarkeit positiv beeinflusst sah. Allerdings war dadurch auch die Metaphysik des Abbildes und seiner Rezeption beeinflusst. Diese Sichtbarmachung des archaischen Wesens der Realität hatte Struth schon in seinen menschenleeren Schwarzweiß-Aufnahmen im Ruhrgebiet der 1980er Jahre verarbeitet und gleichzeitig die Mittel, mit denen er dies tat, in Frage gestellt. Auch in den Urwaldfotos aus Peru lässt sich das ablesen. Diese unzugängliche Vegetation, vom Betrachter meist nur zwangsläufig auf die im Vordergrund befindlichen Pflanzen reduziert, ist keine spezielle Örtlichkeit, sondern ein allgemeiner metaphysischer Raum.
Zu sehen ist diese Auseinandersetzung momentan auch im nagelneuen Kubus der Kunstsammlung der RuhrUniversität Bochum. Der wurde erst im Mai 2010 im Rahmen der Kulturhauptstadt eröffnet, ist ein Erweiterungsbau zur „Situation Kunst“, einer Sammlung, die sich besonders den „Künstlerräumen“ widmet. Hier sollen Künstler gezeigt werden, die den Raum in ihre Arbeiten einbeziehen. Trotz einer für eine Ausstellungshalle merkwürdigen Atmosphäre aus pseudomoderner Inneneinrichtung und wohl selbst definiertem Qualitätsanspruch nebst Haltung macht der Besuch für Interessierte, die sich erstmals die Arbeiten Struths ansehen wollen, Sinn. Sie ist das Ergebnis einer Projektarbeit mit Studierenden der Kunstgeschichte der RUB zum Thema „Wahrnehmung von Fotografien im Raum“. Wobei sich der Untertitel „Fotoinstallation“ kaum erschließt. Aber auch hier haben die großformatigen Arbeiten ihre Wirkung. Die weiten Landschaften Nevadas führen ins Bild hinein, während die „Pictures of Paradise“ ihren metaphysischen Raum eher verschleiern. Die drei Arbeiten, die in der Eremitage in St. Petersburg entstanden sind, markieren dann den internationalen Durchbruch von Thomas Struth als Fotokünstler Anfang der 1990er Jahre. Die neuesten Arbeiten, darunter auch Industrieanlagen, werden dann erst in Düsseldorf zu sehen sein.
„Thomas Struth im Kubus von Situation Kunst“ I bis 10.4. I Situation Kunst, Bochum I 0234 298 89 01
„Thomas Struth – Fotografien 1978-2010“ I 26.2.-19.6. I Kunstsammlung NRW K20, Düsseldorf I 0211 838 12 04
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