Über zwei Tage lud Essen-Nord am Wochenende ein, der Kunst in dem lebendigen Viertel auf die Spur zu gehen. Eine Spurensuche war es tatsächlich, denn wer sich als Nicht-Essener vom Bahnhof aus durch die Einkaufsstraße Richtung Nordstadt bewegte, konnte auf den ersten Blick außer ein paar Straßenpianisten und Buden nichts entdecken. Doch das Programmheft half Suchenden auf die Sprünge: Am einfachsten entdeckte man dabei den Weberplatz mit Kreativ- und Pop-Up-Markt, Live-Musik sowie Sitzkissen und Lehnstühlen für das Publikum.
Im Konsumreform im GenerationKult-Haus, eine sowieso schon kreative Kombination aus Spezialitäten-Bistro und Trödelladen mit regelmäßigen Konzerten, wurde am Samstag über den ganzen Tag verteilt mit Live-Musik und Lesungen unterhalten. Im dortigen Kulturfenster war die Ausstellung „Voodookunst“ von Thoth Nooturno zu sehen. Etwas enttäuschend war die magere Beteiligung des Unperfekthauses. Vor einigen Jahren präsentierten sich hier noch beim Art Walk viele Künstler vor dem Kunsthaus, kombiniert mit Live-Musik und Lesungen, dieses Jahr nahmen nur zwei Kunstgruppen im Haus selbst teil. Man lockte immerhin mit ermäßigtem Eintritt, erkennbar angepriesen wurde das aber nicht, man musste schon mit den Stichworten „Art Walk“ und „Kunstspur“ konkret nachfragen. Dadurch fühlte man sich als Art Walker ein bisschen undercover unterwegs.
Im GOP Varieté wusste man erst selbst auf konkrete Nachfrage nichts vom Art Walk, insgesamt schien so mancher Programmpunkt wenig speziell als sowieso stattfindender Füller mit eingebaut worden zu sein. Das betraf auch das Konzert im turock am Samstagabend und natürlich waren auch die angepriesenen Wandbilder zwar beeindruckend, aber nicht neu. Es ging mehr darum, die bestehende und wachsende Kunst- und Kulturszene zu entdecken als mit Neuheiten zu trumpfen. Neues wurde dennoch geboten, zum Beispiel bei der Videopremiere von Giga Propaganda mit anschließender Diskussion im Forum Kunst und Architektur. Im Video ging es ebenfalls um eine Spurensuche, nämlich um die Entdeckung des Wir-Gefühls allgemein und speziell in der Nordstadt. Was ist das, Wir? Was schafft Gemeinsamkeiten, was trennende Unterschiede? Rechtspopulismus, der sich auch an Wand-Schmierereien erkennen lässt, wurde verbindenden Themen wie Liebe gegenübergestellt, und es wurde klargemacht, dass Religion und Kultur sowohl vereinen als auch spalten können.
Wer nicht nur mit dem Programmheft als Leitfaden losziehen wollte, konnte sich auch von Giga Propaganda via Rundgang führen lassen. Doch es hatte etwas für sich, wenn man auf dem Weg spontan aufmerksam wurde, weil beispielsweise plötzlich DJ-Musik ertönte – beim Kunstprojekt Nordstadtwelten 2.0, das die Arbeiten von Studierenden der bildenden Künste präsentierte, die sich mit dem Milieu der Essener Nordstadt auseinandergesetzt haben. Oder wenn seltsame Schreie aus der Alten Mitte aufhorchen ließen, wo der Samstag im Zeichen des Klaviers stand. Neben der Ausstellung von Lex Spielmann ließ hier am Abend ein musikalisch umgestaltetes Klavier mehr als nur Pianoklänge ertönen, visuell und hörbar interpretiert mit einer fesselnden Tanzperformance von Camila Scholtbach.
Natürlich gab es noch viel mehr beim Art Walk zu entdecken – wer auf Spurensuche ging, fand etwas für jeden Geschmack, inklusive kreativer Workshops und Tag der offenen Tür im Kleinen Theater. Und gerade die aufgrund der zum Teil kurzen Laufstrecken auch mal unerwartet um die Ecke kommenden außergewöhnlichen Highlights machten den Art Walk trotz mancher Enttäuschung zu einem immer noch spannenden Erlebnis für Kunst- und Kulturliebhaber.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Auf künstlerischen Pfaden
„Kunstspur“ und „Art Walk“ in Essen – das Besondere 09/17
Künstler sind heute ruhr-urban
Der 5. Essener ART WALK – das Besondere 10/16
Vom Kulturbiotop zum Szeneviertel
Die Off-Kulturen in den Ruhr-Städten zaubern in alte Stadtviertel neues Leben – Thema 11/12 NEUE URBANITÄT
Gelungenes Experiment
Essener Art Walk belebt den Norden der Innenstadt
Wovon Bunker träumen
„Radical Innovations“ in der Kunsthalle Recklinghausen – Ruhrkunst 02/25
Gewebt, geknüpft, umwickelt
Sheila Hicks in Bottrop – Ruhrkunst 02/25
„Sie hatte ihren eigenen Blick auf die Arbeitswelt“
Fotohistorikerin Stefanie Grebe über die Ausstellung zu Ruth Hallensleben in Essen – Sammlung 02/25
Vorm Zeitpunkt der Aufnahme
Jörg Winde im MKK in Dortmund – kunst & gut 01/25
Auf Augenhöhe
Deffarge & Troeller im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/25
Runter von der Straße
Graffiti-Künstler im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 01/25
„Wichtig ist für ihn die Ästhetik der Kabel“
Kuratorin Felicity Korn über „Echo“ von Elias Sime im Düsseldorfer Kunstpalast – Sammlung 01/25
Strich für Strich
„Zeichnung: Idee – Geste – Raum“ in Bochum – Ruhrkunst 12/24
Die Dinge ohne uns
Alona Rodeh im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 12/24
Im Einklang mit der Natur
„Henry Moore – For Duisburg“ im Duisburger Lehmbruck Museum – kunst & gut 12/24
„Kein Staub, aber ganz viel Frisches“
Leiter Nico Anklam über die Ausstellung zu 75 Jahren Kunsthalle Recklinghausen – Sammlung 12/24
Aus zwei Sammlungen
Das frühe 20. Jahrhundert im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
„Mangas sind bei der jungen Leserschaft die Zukunft“
Leiter Alain Bieber über „Superheroes“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 11/24
Der Künstler als Vermittler
Frank van Hemert in der Otmar Alt Stiftung in Hamm-Norddinker – kunst & gut 10/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
„Weibliche und globale Perspektiven einbeziehen“
Direktorin Regina Selter über „Tell these people who I am“ im Dortmunder Museum Ostwall – Sammlung 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
Orte mit Bedeutung
Zur Ruhrtriennale: Berlinde De Bruyckere in Bochum – kunst & gut 09/24
„Jeder Besuch ist maßgeschneidert“
Britta Peters von Urbane Künste Ruhr über die Grand Snail Tour durch das Ruhrgebiet – Sammlung 09/24