Das Kunstmuseum Ahlen macht regelmäßig mit hochkarätigen Werkschauen zur Gegenwartskunst von sich reden. Dies trifft nun erst recht auf die Ausstellung mit Arnulf Rainer zu. Äußerer Anlass ist der 85. Geburtstag des Malers und Zeichners, der seit den 1970er Jahren über sein Heimatland Österreich hinaus internationales Renommee besitzt. Die Malerei von Arnulf Rainer basiert auf den Avantgarden der Nachkriegsjahrzehnte. Sein Gestus ist expressiv, mithin spontan und ausufernd, aber doch kontrolliert und in der Auseinandersetzung mit dem Purismus von ZERO geschult. Dazu gehört die Rücknahme der Buntfarbigkeit zugunsten der Hinwendung zum Schwarz. Und Rainer bringt, ähnlich der theatralischen Inszenierung der Wiener Aktionisten, die eigene Körperlichkeit ein. Er hat sich fotografiert und diese s/w-Fotos impulsiv über- und partiell zugemalt. Der Grad der Übermalung wechselt, trägt mitunter etwas von einem Vorhang, der sich öffnet oder verschließt. Das Gesicht grimassiert oder ist in sich gekehrt.
Arnulf Rainer behält die prozessuale Überzeichnung des fotografischen Selbstporträts über die Jahrzehnte hinweg bei, das ist eine der Erkenntnisse dieser Ausstellung. Deutlich wird auch, wie sich aus der einzelnen fließenden Linie ein dunkler Schleier entwickelt, der zur Kreuzform als bildstiftendem Motiv zwischen Stabilität und Bewegtheit führt. Die Kunst von Arnulf Rainer ist durch und durch existenziell und mit Energie und Intensität aufgeladen: Hier geht ein Künstler aufs Ganze. Zu den Leistungen des Kunstmuseums Ahlen gehört, dieses Werk von seinen Anfängen an vorzustellen und dabei die Schwerpunkte herauszuarbeiten. Nun sehen wir auch das Spätwerk mit den rein malerischen bildfüllenden Farbschlieren, die noch die Aspekte des Kontemplativen und Sakralen betonen, und den Übermalungen fotografischer Reproduktionen von Meisterwerken der Kunstgeschichte. Und auch wenn diese Bilder nicht mehr die Härte früherer Jahre besitzen, führt auch hier die Linie zu Implosionen und Neuinterpretationen. In der Zerstörung steckt bei Arnulf Rainer doch der Schöpfungsgedanke.
„Arnulf Rainer. Malerei, Arbeiten auf Papier“ | bis 26.4. | Kunstmuseum Ahlen | 02382 918 30
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mit System
Rudolf Knubel in Ahlen und Herne – Ruhrkunst 01/17
Mit und gegen
Meret Oppenheim in Ahlen – Ruhrkunst 04/16
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
Roter Teppich für das Kino
Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 08/24
Lebendige Zeitgeschichte
Marga Kingler im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 07/24
Happy End
Ausstellung über Glück in Bochum – Ruhrkunst 07/24
Im Bann der Impulse
„Radiant“ im Lichtkunstzentrum Unna – Ruhrkunst 06/24
Alle für einen
Matthias Wollgast im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 06/24
Leben in der Wüste
Namibia-Ausstellung im Naturmuseum Dortmund – Ruhrkunst 05/24
Hin und weg!
„Ferne Länder, ferne Zeiten“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 05/24
Utopie und Verwüstung
„The Paradise Machine“ in Dortmund – Ruhrkunst 04/24
Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24
Intensive Blicke
Fotografin Annelise Kretschmer im MKK Dortmund – Ruhrkunst 03/24
Kultige Cover
Designagentur Hipgnosis in Oberhausen – Ruhrkunst 03/24
Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – Ruhrkunst 02/24
Diplomatie kreativ
Ingo Günther im Kunstverein Ruhr in Essen – Ruhrkunst 02/24
Ausdruck der Zeit
Expressionismus-Sammlung im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 01/24
Visionen von Gemeinschaft
„Wir ist Zukunft“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/24
Das bisschen Haushalt …
„Kochen Putzen Sorgen“ im Quadrat Bottrop – Ruhrkunst 12/23
Unorte im Fokus
„Die Stadt ist anderswo“ im Bochumer Museum unter Tage – Ruhrkunst 12/23
Konkret gemalt
„Colours and Lines in Motion“ in Gelsenkirchen – Ruhrkunst 11/23
Auf nach Phantásien!
Illustrationen zu Michael Endes Geschichten in Oberhausen – Ruhrkunst 10/23