Schnee rieselt langsam herunter, sobald sich die Spule dreht. Darum geht es auch später, in diesem dunklen Raum: Elegisch beklagt eine Stimme aus dem Off die vergangenen Tage vor der Katastrophe. Als es noch Parks gab und als noch der Schnee vom Himmel fiel. Es sind Topoi aus Weltuntergangsszenarien, mit denen die griechische blitz theatre group in „Late Night“ vom Ende Europas erzählt.
Im Kollektiv und Netzwerk „zwanzigfuenfzehn“ (kurz: zfz) haben sie nun an einer eigenständigen Adaption von „Late Night“ gearbeitet. Herausgekommen ist eine szenische Installation, die im Rahmen der BoBiennale präsentiert wird. Und zwar in einer ehemaligen Zwiebackbäckerei im Kunstkiez Bärendorf. Johanna Buderath von zfz war damals einfach angetan von diesem Stück, als sie es bei einem Theater-Festival sah. Der Sound war dystopisch und poetisch zugleich, wie sich Buderath an diesem Nachmittag erinnert: „Es ist sehr postmodern, es zeichnet die Umstände von Chaos und die Enttäuschung von den Ideologien.“
Das zfz-Kernteam um Clara Nielebock, Nadine Bachstein, Stefanie Büttgenbach, Nicolas Plancq und Johanna Buderath hat bereits Erfahrung mit eigensinnigen Theater-Adaptionen. Beim ersten Projekt brachte das Kollektiv etwa in Kooperation mit dem Prinz-Regent-Theater Tracy Letts Stück „Eine Familie“ in die Bochumer Wohnzimmer. Zu den selbsterklärten Zielen von zfz gehört auch, einen „soziokulturellen Raum der Vielfalt und des Eigensinns zu schaffen“. Und das setzen sie auch bei ihrem aktuellen Projekt um: So weilen an diesem Mittwochnachmittag Aktive und Gäste des zwanzigköpfigen Kollektivs auf dem Hinterhof des Geländes. Während es draußen kühle Getränke gibt, können die BesucherInnen einzeln in die Installation eintreten.
Mittlerweile hat dieser Hinterhof in Bochum-Weitmar eine lange Geschichte: Vor hundert Jahren wurde hier noch Zwieback gebacken. „Bis vor einem Jahr standen hier noch die Öfen“, erinnert sich Lukas Tomko. „Die wurden jetzt natürlich durch die Bühnen ersetzt.“
Das Flair dieser einstigen Zwiebackbäckerei und die Kooperation mit dem benachbarten Atelier Uta Hoffmann hat letztendlich auch die Entscheidung beeinflusst, aus der Stückvorlage eine Installation zu schaffen: „Der Raum ist ja charismatisch“, erzählt Stefanie Büttgenbach. „Wir wollten uns selber durch ein Experiment herausfordern.“
Bei diesem Experiment haben sie eine düstere Szenerie geschaffen: Äste baumeln herunter und drei Akteur*innen irrlichtern durch den Raum. Rotes Licht flackert auf Poster mit Palmen und einem blauen Himmel. Doch die gibt es nicht mehr, wie die eingesprochenen „Late Nigh“-Textpassagen verraten. Schließlich verlassen auch die Bühnenaktuer*innen diese szenische Installation. Bevor kurz darauf die Tür aufgeht und Sonnenlicht in den düsteren Raum scheint.
BoBiennale | bis zum 23.6. | www.bobiennale.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Des Esels Freiheit
Late-Night-Show auf Bochums Bobiennale – Festival 06/23
Von Slam bis Dungeon-Synth
Vielfältiger Bobiennale-Ausklang – Festival 05/23
Dada-Gaga und die Apokalypse
Bobiennale: Kunstmix in Bochum-Hamme – Festival 05/23
Kunst kommt zum Publikum
bobiennale vom 11 bis 21. Mai in Bochum – Festival 05/23
Unter Blues-Polizisten
BoBiennale 2019: „Ruhr-Blues“ in Langendreer – Literatur 06/19
Gemälde im Kopf mit Schnee und Thunfischbrötchen
BoBiennale 2019: „O no, ONO!“ im Kunstkiez Bärendorf – Bühne 06/19
Inspiration in einem alten Pferdestall
BoBiennale 2019: KünstlerInnenresidenz–Präsentation in der Halle 205 – Kunst 06/19
Bochum als Environment
Start der BoBiennale in den Rottstr5-Kunsthallen – Kunst 06/19
Galerie bis Gartenlaube
Die zweite bobiennale vom 13.6. bis 23.6. in Bochum – Kunst 05/19
Bochums freie Szene blüht
Ein Rückblick auf die erste BoBiennale – Spezial 06/17
Vom Ringen mit der eigenen Identität
Musikalische Autorenlesung aus „Yanko. Die Geschichte eines Roma“ am 16. Juni – Spezial 06/17
„Ein hartes Business“
BoBiennale: Streitgespräch in der Zeche 1 am 12.6. – Spezial 06/17
Aus zwei Sammlungen
Das frühe 20. Jahrhundert im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 11/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
„Mangas sind bei der jungen Leserschaft die Zukunft“
Leiter Alain Bieber über „Superheroes“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 11/24
Der Künstler als Vermittler
Frank van Hemert in der Otmar Alt Stiftung in Hamm-Norddinker – kunst & gut 10/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
„Weibliche und globale Perspektiven einbeziehen“
Direktorin Regina Selter über „Tell these people who I am“ im Dortmunder Museum Ostwall – Sammlung 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
„Jeder Besuch ist maßgeschneidert“
Britta Peters von Urbane Künste Ruhr über die Grand Snail Tour durch das Ruhrgebiet – Sammlung 09/24
Orte mit Bedeutung
Zur Ruhrtriennale: Berlinde De Bruyckere in Bochum – kunst & gut 09/24
Denkinseln im Salzlager
Osteuropäische Utopien in Essen – Ruhrkunst 08/24
Ausgezeichnet auf Papier
Günter Drebusch-Preis 2023 in Witten – Ruhrkunst 08/24
Räume und Zeiten
Eindrucksvoll: Theresa Weber im Kunstmuseum Bochum – kunst & gut 08/24