Das Favoriten-Festival neigt sich dem Ende. Bevor es an diesem Wochenende mit der feierlichen Preisverleihung (2.10. 21 Uhr) schließt, empfehlen wir noch den Besuch bei einem ganz besonderen Theaterkollektiv, der geheimagentur: Die brachte schon 2012 das Schwarzgeld in die ärmste Stadt Deutschlands (Gastgeber: Theater Oberhausen), errichten im letzten Jahr ein eigenes Kreuzfahrt-Terminal in Hamburg und blickten, wieder in Oberhausen, erst kürzlich auf die Zukunft der Stadt. Nun knöpft sich die Gruppe Dortmund vor. „Geheimagentur vs. Dortmund: Alles oder alles!", so der Titel des Projekts. Wie genau, was dabei rauskam und wie es aussieht, erfahren wir am Samstag (1. Oktober) um 18 Uhr im Festivalzentrum am U.
Bereits am Donnerstag (29. Oktober) war eines der Highlights des diesjährigen Festivals zu sehen: „Poser (sic!) – Gebt Gedankenfreiheit!" aus der Feder des Ensembles Sir Gabriel Dellmann (lesen Sie hier unsere Rezension). Ein Glück für alle Fans von innovativem, politischem Theater: Es ist nächste Woche noch zweimal im Theater im Depot zu sehen: Am Samstag (8.10.) um 20 Uhr sowie tags drauf am Sonntag (9.10.) um 18 Uhr. Erscheint zahlreich, schafft, dass das Bedrohungslevel nicht mehr zu managen ist.
Die Festival-Saison endet also, am Horizont der Spielzeit dämmern aber spannende Premieren. Eine davon wäre ohne das unrühmliche Zutun, oder besser: Nicht-Tun von deutschen Behörden übrigens noch spannender gewesen: Zur Premiere des transnationalen Theater-Projekts Kula – Nach Europa sollte nämlich eigentlich die afghanische Theatergruppe AZDAR ins Schauspielhaus Bochum kommen. Doch die deutsche Botschaft in Kabul stellte sich quer – und so darf nur Ensemble-Leiter Nasir Formuli zur Premiere erscheinen, der sowieso seit 2014 in Deutschland studiert. Kula, so auch der Titel des Stücks von Regisseur Robert Schuster, ist übrigens kein afghanisches, sondern ein ozeanisches Prinzip: gemeint ist ein System der Weitergabe und des Tausches aus Neuguinea, dass nicht auf ökonomisch messbaren Werten basiert, sondern auf sozialer und kultureller Bedeutung von Gegenständen. Ethnologe Marcel Mauss schrieb über diese soziale Praxis das ethnografische Buch „Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften" – heute ein Klassiker der Sozialwissenschaften. Darin beschreibt er auch die eigentümliche Art und Weise des Tauschens, die er auf Pazifik-Inseln beobachtete: Einheimische von der einen Insel geben Gegenstände quasi als Geschenk weiter an die nächste, die wiederum an ihren Nachbarn – bis sich der Kreis schließt. Heißt: es geht nicht um Tauschhandel im uns geläufigen Sinne, da nicht direkt eine Gegenleistung erwartet wird. Doch irgendwann kommt alles zurück. Eine Vision für unsere Zukunft, eine mögliche Utopie? Das zeigt sich am Freitag (7.10.) um 19.30 Uhr in den Kammerspielen.
Ebenfalls spannend, und deshalb ist der Premierenabend schon ausverkauft: Ichglaubeaneineneinzigengott im Grillo-Theater Essen. Das Stück des italienischen Autors Stefano Massini wirft einen Blick auf den Nah-Ost-Konflikt – und fasst die Perspektiven einer im Heiligen Land stationierten US-Soldatin, einer israelischen Professrorin und einer palästinensischen Studentin in nur einem Monolog zusammen. Die nächste Aufführung nach der ausverkauften Premiere am Samstag (2.10.) findet am Freitag (7.10.) um 19 Uhr statt.
Geheimagentur vs. Dortmund: Alles oder alles! | geheimagentur | Sa 1.10. 18 Uhr | Festivalzentrum am U | www.geheimagentur.net
Preisverleihung: Favoriten-Festival | So 2.10. 21 Uhr |Aula der Berufskollegs/Showspielhaus | www.favoriten2016.de
Poser (sic!) – Gebt Gedankenfreiheit! | R: Sir Gabriel Dellmann | So 8.10. 20 Uhr & So 9.10. 18 Uhr | Theater im Depot | www.depotdortmund.de
Kula – Nach Europa | R: Robert Schuster | Fr 7.10. 19.30 Uhr | Kammerspiele, Schauspielhaus Bochum | www.schauspielhausbochum.de
Ichglaubeaneineneinzigengott | R: Sascha Flocken | Fr 7.10. 19 Uhr | Grillo-Theater Essen | www.schauspiel-essen.de
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