Das fotografische Werk des 1944 in New York geborenen und dort lebenden Joel Sternfeld ist in Deutschland noch relativ unbekannt. Indes gehört er zu den wichtigen Vertretern der New Color Photography der 1970er Jahre, die mit als erste in Farbe fotografieren, um damit die Gesellschaft und die Landschaft in Amerika zu analysieren. Das Folkwang Museum in Essen liefert nun einen Überblick über Sternfelds Schaffen anhand elf ausgewählter Projekte seit den späten 1960er Jahren. Ausgehend von den Farbtheorien des Bauhaus, versteht Sternfeld Farbe als wichtiges Stilmittel, mit dem er sehr präzise – und jenseits aller damals gängigen Hollywood-Ästhetik – umgeht. Im Gespräch in Essen wendete sich Joel Sternfeld zudem gegen Schnappschüsse, und: Fotografie sei mehr als nur Fotos machen. Wichtig ist ihm der konzeptuelle Ansatz, das Verfolgen und Verdichten eines Themas durch eine Gruppe von Fotografien, von denen jedes einzelne für sich ein Konzentrat ist. Tatsächlich muss man sich nur ein wenig auf seine Aufnahmen einlassen, darauf, wie sich die Gegenstände im Bild verhalten, wie die Farbe mit wirkt, um die Intensität der Arbeit, die ausgiebige Beschäftigung zu erfahren. Dazu gehört ein subtiler Humor, der in etlichen Bildern mitschwingt, etwa wenn sich – menschenleer – im Mittelgrund ein Spielplatz mit Baggern und kleinen Häuschen befindet und dahinter ein Siedlung, die in ihrer stereotypen Erscheinung augenblicklich an die Spielzeughäuser denken lässt.
Das Werk von Sternfeld wechselt über drei Jahrzehnte zwischen eng gefasster Personenbeschreibung im Innen- oder Außenraum und großzügig schweifendem Blick in die Landschaft – jede Werkgruppe steht als eigener Korpus. In der Werkgruppe „Walking the High Line“ beobachtet er, wie die Natur sich eine stillgelegte Bahnstrecke in Manhattan erobert, in „Oxbow Archive“ widmet er sich dem Wechsel der Jahreszeiten und dem Eingriff des Menschen in die Natur. Und in „On This Site“ zeigt er Orte im Innen- und Außenraum, die gewöhnlich wirken. Erst der begleitende, zur Arbeit gehörende knappe Text klärt darüber auf, dass es sich hier um Orte von Verbrechen handelt. Sternfeld sucht nach dem Wesen hinter der Oberfläche, er spricht die Geschichten an, die mit den Orten und Gegenständen seiner Aufnahmen verbunden sind und schärft den Blick für die Zivilisation und die Natur. Das macht ihn noch zu einem wichtigen Chronisten. Eine wichtige Ausstellung.
„Joel Sternfeld – Farbfotografien seit 1970“ I Bis 23.10. I Museum Folkwang Essen
www.museum-folkwang.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Nudel, Mops und Knollennase
Loriot in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Ruhrkunst 03/25
Hannibal, ungeschönt
Latefa Wiersch im Dortmunder Kunstverein – Ruhrkunst 03/25
Gewebt, geknüpft, umwickelt
Sheila Hicks in Bottrop – Ruhrkunst 02/25
Wovon Bunker träumen
„Radical Innovations“ in der Kunsthalle Recklinghausen – Ruhrkunst 02/25
Auf Augenhöhe
Deffarge & Troeller im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/25
Runter von der Straße
Graffiti-Künstler im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 01/25
Die Dinge ohne uns
Alona Rodeh im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 12/24
Strich für Strich
„Zeichnung: Idee – Geste – Raum“ in Bochum – Ruhrkunst 12/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
Roter Teppich für das Kino
Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 08/24
Lebendige Zeitgeschichte
Marga Kingler im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 07/24
Happy End
Ausstellung über Glück in Bochum – Ruhrkunst 07/24
Im Bann der Impulse
„Radiant“ im Lichtkunstzentrum Unna – Ruhrkunst 06/24
Alle für einen
Matthias Wollgast im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 06/24
Leben in der Wüste
Namibia-Ausstellung im Naturmuseum Dortmund – Ruhrkunst 05/24
Hin und weg!
„Ferne Länder, ferne Zeiten“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 05/24
Utopie und Verwüstung
„The Paradise Machine“ in Dortmund – Ruhrkunst 04/24
Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24
Intensive Blicke
Fotografin Annelise Kretschmer im MKK Dortmund – Ruhrkunst 03/24
Kultige Cover
Designagentur Hipgnosis in Oberhausen – Ruhrkunst 03/24
Unter unseren Füßen
Archäologie der Moderne im Ruhr Museum – Ruhrkunst 02/24
Diplomatie kreativ
Ingo Günther im Kunstverein Ruhr in Essen – Ruhrkunst 02/24