Bochum, 21.01. - Trotz klirrender Kälte und gut 10 cm Schnee stapften gegen 20 Uhr einige Besucher mit großen Taschen bewaffnet in das Endstation Kino im Bahnhof Langendreer. Doch statt wie üblich durch die schwere Tür in den Kinosaal zu treten, machten sie im Café des Kinos halt, setzten sich an die Tische, knabberten Salzstangen und Flips, bestellten sich ein Getränk und blickten erwartungsvoll zu der kleinen Empore, auf der Sofa, Plattenspieler und Anlage zum Abspielen anderer Formate bereit standen. An diesem Abend fand eine Premiere statt: Das Endstation veranstaltete zusammen mit dem Bahnhof Langendreer und dem Plattenladen für Kenner, DISCover, den ersten thematischen Vinyl-Abend. Es sollte um das leibliche Wohl in der Musik gehen, um Essen und Trinken. Ein ansprechendes Thema für den Einstand einer Veranstaltung, bei der jeder sich mit seiner Musik und seiner Geschichte einbringen kann. Für den Appetit, nicht nur auf Musik, sondern auf die materielle Nahrung, waren Tom Thelen, „Foodjournalist“ wie er sich selbst bezeichnet, und Daniel Takeshi, Betreiber des Sushi-Restaurants Takeshi, anwesend, die neben Musik über Essen, Essengehen und Essenzubereitung plauderten.
Als „Popcorn“ von „Hot Butter“ aus den Boxen sprang, ging es los mit der Veranstaltung für Allround-Gourmets, die dann sogleich darüber sinnierten, wann sie diesen Song das letzte Mal eigentlich gehört hatten. Nina und Pancho vom Endstation riefen freundlich „Hallo“, Erstere rupfte aus Versehen am Hängepflänzchen, Letzerer nahm an der Technik platz und dann gings auch schon weiter mit dem der Veranstaltung titelgebenden Song „Know your Chicken“ von Cibo Matto. Die Musikliebhaber wurden aufgefordert, ihr mitgebrachtes Schmankerl mit einer persönlichen Meinung auf einen Zettel zu kritzeln und abzugeben. Eine Akkordeonversion von „Aber bitte mit Sahne“ und elektronische Klänge von International Pony mit „Bubble in the Bottle“ fanden ihren Weg nach vorne. Essen scheint in der Musik eindeutig keine Genregrenzen zu kennen. Als erster Gast schritt Tom Thelen auf die Bühne, meinte dröge, dass in Gastronomien der musikalische Genuss zu kurz käme, außer der ewige Eros in der Pizzeria. Als der Foodjournalist, kein Gastrokritiker!, zum Lesen einiger seiner alten Reviews ansetzte, kam Stimmung auf. Mit seinem trockenem Tonfall bewarb der „Ich höre beim Kochen eigentlich nur 1Live“-Gourmet sich als Anwärter für die nächste Freitagabendlesung bei eben diesem Sender. Selbst mitgebracht hatte er „Schwingsultaninen“ von Interloop, allerdings nicht auf edlem Vinyl, was das Publikum mit freundlichen Buh-Rufen quittierte. Der nächste Gast, Daniel Takeshi, hatte leider keine Sushi-Platte mitgebracht, da er nichts vom Vortag irgendwem andrehen würde. Er biete keine Supermarktqualität an, sondern ein Geschmackserlebnis in einer „nicen“ Atmosphäre. Und Atmosphäre meint für ihn nicht Stangenwarenjapan mit den immer gleichen Klängen. Er selbst sei im Musikgeschmack nicht mehr so stur wie in seiner Jugend und mittlerweile offen für vieles. Nur das Dubstep-Phänomen wollte ihm nicht so recht einleuchten. Für den Abend hatte er ein bisschen Dirty Dancing-Musik dabei und bewegte sich zwar nicht Patrick Swayze like, aber immerhin. Panchos Witz ihm zu Ehren „How much is the Fish“ dagegen kam über die erste Minute nicht hinaus. Armer H.P.
Bunt und wild ging es weiter. Auf Hochzeiten ist im Moment der Hochzeitstorte „Aber bitte mit Sahne“ anscheinend von „Sweets for my Sweet“ abgelöst worden, Eisenpimmel schlägt Dackelblut, hier mit „Der letzte Drink“ vertreten, zwar in Puncto Härte, kam aber nicht mehr zum Einsatz. Wohl aber noch eine Entgleisung Neil Youngs mit „T-Bone“, ein bisschen Scat und ziemlich viel Drogen. Nina stellte Filme, die während des kommenden „Stranger than Fiction“-Filmfests laufen werden, vor und irgendwie scheinen Betäubungsmittel viel Raum dabei einzunehmen. Ausklang fand der Abend mit „American Pie“, einem Song, über dessen Intention sich schon zig Kritiker den Kopf zerbrochen haben und dessen Coverversion von Madonna echt scheiße ist.
Nächster Termin ist der 18.02. Diesmal mit dem Thema Jahreszahlen.
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