Nicht die „Marseillaise“ sollte es sein. Nein, der französische Präsident entschied sich für die Hymne der europäischen Union. So ließ sich Emmanuel Macron zu den Klängen von Beethovens Vertonung der „Ode an die Freude“ vor seinen AnhängerInnen feiern. Seit Macron im Mai letzten Jahres die Stichwahl gegen die Nationalistin Marine Le Pen gewann, ist er zwar im eigenen Land unbeliebter denn je. Das liegt an seinen Reformvorstößen gegen die Arbeitsrechte von Millionen Beschäftigten und den Gewerkschaften, die aktuell gegen die als neoliberal kritisierten Maßnahmen streiken.
Unter den europäischen Eliten und auch in der deutschen Öffentlichkeit gilt Macron dagegen als innovativer Vordenker. Und das liegt an den Beschwörungen an einen gemeinsamen europäischen Geist, seinen Visionen für transnationale Lösungen, die er immer wieder in Reden betont.
Macrons Motiv war auch an diesem Abend in der Christuskirche ein Thema, wo auf Einladung des Forums „Herausforderung Zukunft“ der Präsident des Europäischen Parlaments Antonio Tajani, der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestags Norbert Lammert, NRW-Landestagspräsident André Kuper, der Europaparlaments-Abgeordnete Elmar Brok sowie die französische Botschafterin Anne-Marie Descôtes diskutierten.
Ausgangsfrage der Veranstaltung: Wie sieht die Zukunft der Europäischen Union aus? Wie kann sie gestaltet werden? Dass es in den EU-Mitgliedsstaaten Sorgen gebe und diese zuletzt nicht ernsthaft von der Politik wahrgenommen wurden, das sprach Antonio Tajani gleich zu Beginn seiner Rede an. Sicherheit, Migration, Terrorismus und die Arbeitslosigkeit hob er als Kernthemen hervor. Um die Flucht von Millionen AfrikanerInnen, die in Europa Alternativen zu Armut und Arbeitslosigkeit suchen, nach Europa zu begegnen, rät er neben einer Schließung der Mittelmeer-Route zu verstärkter Kooperation mit den Herkunfts- und Krisenländern: „Eine Lösung der Migration wird nicht ohne die Partnerschaft mit Afrika gehen.“ Dazu gehörten auch Absprachen, um die Situation der Geflüchteten zu verbessern, die aktuell in der Türkei sind.
Um die Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit, aber auch um die Ausbildungsmöglichkeiten in den afrikanischen Staaten zu lösen, brachte Tajani die Idee eines Marshallplans für den Kontinent ins Spiel. Ebenso müsse innerhalb der EU die Situation von Erwerbslosen verbessert sowie der Wandel durch die digitale Revolution gestaltet werden. Konkrete Vorschläge machte der Präsident des Europäischen Parlaments nicht. Sein Credo für die Zukunft Europas: „Weniger Bürokratie, mehr Politiker“.
Doch genau diese Zukunft sehen Tajani und die weiteren Diskutanten stärker denn je gefährdet: Denn den anstehenden Brexit, das nationalistische Säbelrasseln im Weißen Haus, den stärker werdenden, globalen Einfluss Chinas und nicht zuletzt die Erfolge von rechtspopulistischen Parteien in nahezu allen europäischen Mitgliedsstaaten sehen sie mit Sorge. Umso stärker verteidigten die RednerInnen das EU-Projekt. Tajani: „Wir müssen uns bemühen, den Abstand zwischen den Bürgern und den Institutionen zu verringern.“
Das untermauerte auch Norbert Lammert, der die Präsidentschaft Macrons als richtigen Anstoß betrachte: „Er gehört zu den wenigen Regierungschefs, für die das Wohl des Landes von dem Europas abhängt.“ Der EU-Parlamentsabgeordnete Elmar Brok mahnte in Richtung nationalistischer Forderungen: „Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, nicht der Nationalstaat.“ Die RednerInnen nahmen besonders die Gründerstaaten der EU in die Pflicht. Etwa die neue Bundesregierung. Denn Frankreich habe bekanntlich schon vorgelegt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
6 String Theory
Lee Ritenour lehrt in Bochum Musikgeschichte – Improvisierte Musik in NRW 07/18
Aufklärer alten Schlages
Robert Menasse mit „Die Hauptstadt“ am 9.5. in der Christuskirche Bochum – Literatur 05/18
Nur nicht zu viel Hoffnung
„Die Macht der Kunst – Die Kunst der Mächtigen“ im Kunstmuseum Bochum – Spezial 03/18
Das Eldorado musikalischen Eigensinns
Die Bochumer Konzertreihe Urban Urtyp setzt auf Sperriges – Popkultur in NRW 12/17
Regen zum Saison-Abschluss
Karsten Riedel am 30.4. in der Christuskirche Bochum – Musik 04/17
Emika vereint alles
Emika am 15.1. in der Christuskirche Bochum – Musik 01/17
Laute Mädchen
Konzerte zum Träumen, Mitwippen und in die Luft springen – Popkultur in NRW 01/17
Numinose Bässe und der Soundtrack zum Runterkommen
Urban Urtyp am 25.9. in der Christuskirche Bochum – Musik 09/16
Der Vibe der Stadt, eingefangen im Kubus
Die Festival-Saison ist vorbei, die Urtyp-Saison beginnt – Popkultur in NRW 09/16
Zerstören, was zerstört
Laibach reißen alle Ideologien in der Christuskirche nieder – Musik 04/16
Stille Ekstase
Cigarettes after Sex in der Christuskirche Bochum – Musik 03/16
Liebe, Lust und ungeübte Knutscher
Navid Kermani liest in der Christuskirche am 9.12. – Literatur 12/15
Klimaschutz = Menschenschutz
„Menschenrechte in der Klimakrise“ in Bochum – Spezial 11/24
Digitalisierung 2.0
Vortrag über KI in der VHS Essen – Spezial 10/24
Minimal bis crossmedial
Rekorde und Trends auf der Spiel Essen – Spezial 10/24
KI, eine monströse Muse
12. Kulturkonferenz Ruhr in Essen – Spezial 09/24
Wurzeln des Rechtsextremismus
Online-Vortrag „Ist die extreme Rechte noch zu stoppen?“ – Spezial 09/24
Wem gehört die Ökosphäre?
Seminar „Die Rechte der Natur“ in der VHS Dortmund – Spezial 05/24
Stimmen der Betroffenen
Vortrag über Israel und Nahost in Bochum – Spezial 04/24
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
„Was im Ruhrgebiet passiert, steht im globalen Zusammenhang“
Die Dokumentarfilmer Ulrike Franke und Michael Loeken über den Strukturwandel – Über Tage 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24
„Einer muss ja in Oberhausen das Licht ausmachen“
Fußballfunktionär Hajo Sommers über Missstände im Ruhrgebiet – Über Tage 02/24