Es knistert bedrohlich in der Bochumer Christuskirche. Eine Lightshow aus Linien bewegt sich hinter den Musikern. Später an diesem Abend werden wir dort noch nordkoreanische Propagandabilder sehen, wild herunter hagelnde Ready-Mades und, ja, auch faschistische Symbole. Und all das wird Laibach zerstören, jene slowenische Industrial-Band, bei der selbst die Zensoren des alten Jugoslawiens nicht sicher waren: Sind es Kommunisten? Oder Nazis? Wie auch immer, im Zweifel lieber verbieten.
Auf eine gewisse Art kann man sie ja verstehen: Das martialische und gleichzeitig so eiskalte Auftreten der Band erinnert an Nazi-Schurken aus finstersten Science-Fiction-Dystopien. Und wenn Sie sich, wie in einem Interview Anfang der 90er, als „Engineers of human Souls" bezeichnen, zitieren sie damit unverfroren Josef Stalin. Der sich, laut eines Bonmots von Slavoj Zizek, stets nach Reden selber applaudierte – nicht aus Narzissmus, sondern weil er sich als Diener der Geschichte sah. Das wird später noch wichtig sein, wollen wir dieses großartige Konzert verstehen.
Europas Untergang
Wobei, Konzert ist nicht das richtige Wort: Laibach bringen eine finstere Geschichte von Macht, Unterwerfung und Untergang auf die Bühne, deren grausames Ende man ahnt, aber unbedingt hören und fühlen will. Das erste Kapitel ist düsterer, doch klar zu erkennender Pathos. Aber der geht zugrunde im Blitzlichtkrieg, in schrillen Pieptönen die laut kreischen, wie in Angst vor den wilden Piano-Dissonanzen. In Sachen Symbolik haben Laibach schon in der ersten Hälfte des Konzertes fast alle Ideologien durch, die „good old Europe" so hervorgebracht hat. Und so schließt diese erste Hälfte auch mit dem stampfenden, auf groteske Art feierlichen Song: „Europe is falling apart." Dann: Stille. Verspielte, jetzt einfach nur lächerlich wirkende Klimbim-Musik läuft vom Band, ein Countdown zeigt an, dass es in zehn Minuten weiter geht.
Laibach sind, das dürfte jetzt klar sein, mehr als einfach nur eine verdammt gute Industrial-Band: Gegründet 1980 im jugoslawischen Trbovlje war schon ihr Name Provokation – die deutsche Bezeichnung der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Der Stadt, in der auch das Enfant Terrible der Kulturphilosophie, Slavoj Zizek wirkte, der nicht nur Fan der Band ist, sondern auch starken Einfluss auf ihr Schaffen hatte. Das schließt unter Anderem die Gründung des übergreifenden Künstlerkollektivs NSK (Neue Slowenische Kunst) mit ein wie auch die Schaffung des Fantasie-Staates NSK-Staat – Gerüchten zufolge nutzten bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge die NSK-Pässe, um zu fliehen. Stramme Ideologen, die sehen, was sie sehen wollen, haben es freilich nicht schwer, in Laibach Extremisten der gewünschten Couleur zu sehen. Dieser Verwirrung ist es vermutlich auch zu verdanken, dass die Slowenen als bisher einzige westliche Band in Nordkorea auftreten durften.
Ready-Mades, Nazis und Nordkorea
Die Propaganda der skurrilen Diktatur ist auch das erste Opfer der zweiten Konzerthälfte. Es folgen hagelnde Ready-Mades, fröhliches Pfeifen begleitet von Marschmusik und eine Nazi-Invasion. Als Zugabe spielen sie dann eine groteske Version von „Live is Life" – mit Fanfaren, Marschmusik und einem Soundbild wie ein Soldatenchor. Dafür ist das Original der Band Opus wenigstens mal ideologiefrei. Total ideologiefrei und harmlos. War nur der Soundtrack der Fußball-WM 1994.
Wer sich von dem martialischen Auftreten und der grotesken Aneignung brutaler Symboliken nicht schrecken lässt, verlässt ein Laibach-Konzert anders, als er es betreten hat. Sie zerstören alles, woran Menschen je geglaubt haben und glauben könnten. Was von all den Ideologien bleibt, die sie zitieren, ist bloß Krach und einige Linien. Dafür dürfen Sie sich zu Recht im Applaus sonnen. Frontsänger Milan Fras applaudiert sich ebenfalls selbst. Vermutlich nicht aus Narzissmus.
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