Vieles ist noch nie gezeigt worden. Dieser Satz, der bei anderen Kunst-Ausstellungen Neugier erzeugt, hat bei einer Präsentation „Krupp. Fotografien aus zwei Jahrhunderten“ in der Essener Villa Hügel einen eigentümlichen Subtext. Zum 200. Firmenjubiläum wird dafür erstmals das Archiv für die Öffentlichkeit geöffnet. Und dieses Archiv hat es in sich. Rund zwei Millionen Fotos stecken da im Album, 15.000 hat man bisher digitalisiert. Natürlich erst einmal nicht die, auf denen die Zwangsarbeiter zu sehen sind. In den schmucken heiligen Hallen auf dem grünen Hügel am Baldeneysee sieht man 400 mal die Selbstdarstellung eines Stahlkonzerns, dessen Aura immer schon Größenwahn unter drei Ringen bedeutete, und wo die persönliche Familiengeschichte der Besitzer von der historischen Geschichte nicht mehr getrennt werden kann.
Denken wir einmal an das Jahr 1867. Der erste Band von „Das Kapital“ von Karl Marx erscheint. Die deutsche Arbeiterbewegung steckt noch in den Kinderschuhen. Da kletterte ein Fotograf auf dem Kruppschen Werksgelände auf einen Turm und machte eine 360-Grad-Aufnahme des Areals, die in elf Teilen und knapp acht Meter langen 360-Grad-Panorama ein Highlight der aktuellen Ausstellung ist. Schon damals hatte Alfred Krupp den Wert dieser neuen Technik für Dokumentation und Marketing erkannt, und bereits 1861 eine „Photographische Anstalt“ eingerichtet, in der oft bis zu 500 Männer und Frauen nichts anderes taten als die Werbung zu forcieren.
Aber neben den zugegeben hoch interessanten Industriefotos aus dem 19. Jahrhundert gibt auch private Fotos, das gewöhnliche Leben einer Industriellen-Familie. Pfingsten 1892, Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach mit ihrem Sohn Alfried (1910), Familie Krupp schön gruppiert im Anwesen mit Säule im Hintergrund (1930). Vier Generationen lang konnte man sich eben sehen lassen und zeigen, was man hatte. Schließlich war der Betrieb auch Vorreiter bei der vorbildlichen sozialen Kasernierung seiner Arbeiter mit eigenen Wohnungen, Krankenhäusern oder Lebensmittelläden. Und der Brechtsche Karfioltrust? Krupp hat sich nie mit Kohl beschäftigt, eher mit Kanonen. Daher auch die Bilder mit Hitler und Mussolini als Gäste des Hauses. Und nach langem Krieg und kurzem Knast flog Alfried Krupp dann mit seiner Kamera fröhlich in die ferne Welt. Die Arbeiter hatten da noch nicht einmal Italien entdeckt.
„Krupp. Fotografien aus zwei Jahrhunderten“ I Bis 11.12. I Villa Hügel, Essen
Infos: 0201 61 62 90
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