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Klaus Geldmacher, O.T. (# 224), 2005, Leuchtstoffröhren, Plexiglas, Metall, Kabel
Klaus Geldmacher, Mülheim a.d.R.

Künstler von hier

29. April 2011

Ausstellungen in Hagen, Bochum und Herne und ein Preisträger in Mülheim - Ruhrkunst 05/11

Die Bilder im Wechselausstellungsbereich des Osthaus Museum kündigen sich aus der Ferne an. Horst Becking ist Maler mit allen seinen Sinnen, am intensivsten und authentischstem vor allem in der Auseinandersetzung mit überlebensgroßen Bildformaten. Die Farben leuchten aus sich heraus, der Gestus zeigt Dynamik und Vitalität, er bricht das Bild auf und fügt es wieder zusammen, wechselt zwischen Landschaft und Abstraktion und ist beides zugleich ... Diese Malereien, die derzeit in großer Anzahl im Neubau des Hagener Museums hängen, berichten von Sonnenlicht und von Farbtönen, die wir in Deutschland so nicht erleben. In der Stadt von Christian Rohlfs und Emil Schumacher stellt Becking damit nach 1970 und 1987 zum dritten Mal im kommunalen Museum aus, und er enttäuscht dieses Vertrauen nicht.

Geboren 1937 in Hagen, hat Horst Becking über die Jahre nichts an Energie und Expressivität eingebüßt, wobei er auch stille Töne anschlägt. Neben den Farbradierungen in den Kabinetten tragen dazu die kleineren Aquarelle und Gouachen bei, bei denen er die Farbe über vergilbte Briefe gesetzt hat, die er etwa in Venedig in Buchantiquariaten gefunden hat. Hier wird die Vielschichtigkeit von Erleben angesprochen, Aneignung ist ein konkreter Akt, der Zeit und das Vergehen von Zeit schichtet. Doch auch ohne diese Arbeiten behaupten die riesigen, unmittelbar an der Wand hängenden Bilder ihre Notwendigkeit. Sie schlagen das gesamte Spektrum an Emotionen an, schaffen große Flächen als räumliches Ereignis und setzen Farbstränge in dunklen monochromen, mitunter bewegt aufgetragenen Formen und lassen den Leinwand-Stoff durchblicken. Farbe fließt und hält inne. Horst Beckings Bilder handeln von Erinnerung und von Erfahrung; seine Werke entstehen auf Reisen und daheim, im Hagener Atelier, den Kopf noch voll von Farbtönen. Natürlich kann man viele dieser Bilder auch als Beitrag zu einer rein auf Farbe aufbauenden und diese thematisierenden Malerei verstehen – auch dann machen sie sich gut.

Horst Becking, Grünes Feld, 2010, Mischtechnik, Leinen auf Keilrahmen, 180 x 140 cm, © Horst Becking, Foto: Wolfram Schroll, Hagen / Osthaus Museum, Hagen

Licht als Programm
Klaus Geldmacher ist in der Haltung, dem Medium und in der Vorgehensweise ein sehr anderer Künstler. Aber man kann sich auch seinem Werk, das mit künstlichem Licht entsteht, über das Thema Farbe nähern. Ja, auch wenn Geldmacher selbst kein Maler ist, handeln seine Arbeiten doch mit derartigen Effekten und der Emotionalität, die Farben auslösen. Ein Beispiel dafür ist das Relief „anecken – en passent“ (2001) im Eingangsbereich des Kunstmuseum Mülheim in der Alten Post. Der Ort ist richtig: Hier fand bereits 2000 eine Retrospektive seiner Lichtarbeiten statt. Geldmacher lebt seit 1997 in Mülheim, vor wenigen Wochen wurde ihm hier der Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft 2010 – gemeinsam mit dem Wissenschaftler Ferdi Schüth – verliehen, noch mit Hinweis auf sein kulturpolitisches Engagement.

Geboren wurde Klaus Geldmacher 1940 in Frankfurt/M., er war als Jazz-Musiker tätig und hat in Hamburg an der Kunstakademie studiert. Aber er hat sehr früh mit allen konventionellen Vorstellungen von Kunst gebrochen. Auf die Documenta 4 1968 ist er, gemeinsam mit Francesco Mariotti, mit einem begehbaren Leuchtobjekt eingeladen worden, einem Kubus zu 7,50 m Seitenlänge mit einer transparenten Außenhaut und Reihen von Glühbirnen und Leuchtröhren. Damit war Geldmacher mit vierundzwanzig Jahren im Kunstgeschehen etabliert. Zugleich liegt das Programm in Grundzügen vor, dem er mit Variationen und technischen Erweiterungen bis heute nachgeht. Glühbirnen und Leuchtstoffröhren sind das Material, mit dem er nach wie vor seine Werke entwickelt, die ohne Licht unspektakulär wirken, aber mit diesem sinnlich, opulent auftreten. Die Arbeiten agieren mit einem kontinuierlichen Leuchten oder Zeitschaltungen, wechseln in der Beleuchtungssituation – man sollte sich die Zeit für das Objekt im Mülheimer Museum nehmen – und fordern unsere Aufmerksamkeit heraus. Sie sind oft farbige Zeichen mit Licht, die ihre Technik gerade nicht verschleiern. Seit einigen Jahren setzt Geldmacher auch Sound ein – Jazzmusik oder Sprachcollagen, besonders entnommen dem Fernsehprogramm – und integriert mitunter kleine Videomonitore, die etwa Politiker zeigen, die Statements vortragen. Darüber hinaus, Geldmachers Objekte handeln mit Kommunikation, sie mischen sich in die Gesellschaft ein. Und auch wenn sie im Immateriellen des Lichtes kaum greifbar wirken, vermitteln sie doch anschauliche Situationen, welche uns jederzeit und überall umgeben. Natürlich thematisieren sie den Fortschritt in der Kunst, parallel zu technischen Entwicklungen; sie beziehen sich mitunter auf den Konstruktivismus und sie greifen dabei von der Fläche in den Raum aus. Wie anregend und vielschichtig Klaus Geldmacher vorgeht, war vor wenigen Monaten anlässlich der Ausstellungen zu seinem 70. Geburtstag in der Sammlung Lohmann in Hamburg und in der Galerie Leuchter in Düsseldorf zu sehen. In Mülheim gibt es immerhin sein Relief in der Alten Post.

Friedrich Gräsel, Röhrenplastik vor dem Schlieker-Haus, 1990er Jahre, Edelstahl, H 136 cm, 80 x 80 cm, © Friedrich Gräsel, Foto: Schlieker-Haus Bochum

Reduziert und verdichtet
Ein Künstler, der ebenfalls im Ruhrgebiet – in Bochum – beheimatet ist und an den Schnittstellen der klassischen Medien und der (damaligen) Technologie arbeitet, ist Friedrich Gräsel. Geboren 1927 in Bochum, gehört er zu den herausragenden deutschen Künstlern, die in den 1960er Jahren die Materialien und Formen der Industrie – und deren Ästhetik – in ihrer Kunst aufgegriffen haben. Friedrich Gräsel lässt sich insgesamt dem Hard Edge zurechnen, das auf strengen Geometrien beruht, häufig dazu Metallflächen verwendet und diese zeigt oder mit Farbe überzieht. In Deutschland zählen dazu noch Künstler wie Otto Herbert Hajek, von dem die Platzgestaltung vor dem Mülheimer Museum stammt, und Gerlinde Beck, die das Skulpturen-Ensemble vor dem Saalbau in Witten errichtet hat.

Friedrich Gräsel nun arbeitet mit Röhren, die sich durchdringen und so zu Blöcken verdichten oder bei anderen Arbeiten abknicken und in den Raum hinaus ausgreifen oder seriell nacheinander folgen. Damit waren Gräsels Arbeiten wie prädestiniert für den öffentlichen Raum. Er wurde in den 1970er Jahren zu den Biennalen in Venedig und Middelheim eingeladen und er erhielt den Conrad von Soest-Preis; von 1972 bis 1988 hat er an der Universität Essen Bildhauerei unterrichtet. Neben den konstruktiven Röhrenplastiken ist ab Mitte der 1980er Jahre ein weiterer Werkkomplex entstanden, der sich dem Herz und seiner Form widmet.

Eine andere, überwiegend unbekannte Gruppe aus den 1990er Jahren zeigt nun, ab Mitte Mai das Schlieker-Haus in Bochum: Skulpturen aus Weidenhölzern, die in Weiß gefasst sind und spielerisch Gegenständliches beschreiben, etwa eine Sonne mit einer züngelnden Korona. Dazu gehören noch Bilder, beides unter dem Titel „Katalanische Zeichen“. Angesprochen sind Reise-Erinnerungen, aber im Schlieker-Haus ist Gräsel mit seinen Arbeiten auch recht gut zuhause: Die Ausstellung findet im einstigen Atelier von Hans-Jürgen Schlieker (1924-2004) statt, der ein herausragender abstrakter Maler war und mit Friedrich Gräsel in einem freundschaftlichen Verhältnis stand. Auch von Schlieker werden dort Bilder zu sehen sein.

Natürlich finden sich unter den aktuellen Ausstellungen im Ruhrgebiet auch welche mit wichtigen jüngeren Künstlern, die hier ansässig sind. Dazu gehört die Schau von Klaus Florian in der Städtischen Galerie in Herne. Er wurde 1954 in Mülheim geboren, wo er auch lebt und arbeitet. Er unterrichtet an der Universität Essen-Duisburg, als Dozent im Bereich der zeichnerischen Grundlagen. Zeichnung erweist sich als sein zentrales Metier, mit malerischen Befähigungen. Klaus Florian beherrscht die Klaviatur der Zeichnungs-Kunst und handelt doch gegen alle Routine. Er arbeitet in Werkgruppen mit jeweils wechselnden zeichnerischen Maßnahmen und unterschiedlichen Bildträgern. Seine Zeichnungen, die manchmal an Tagebucheinträge denken lassen, sind elementar, ganz einfach und sehr klar, sie deuten Figur und Gegenstand an und bringen vor allem eine große Innigkeit und das unmittelbare Erleben zum Ausdruck. Dabei lassen sie sich nie ganz entschlüsseln. Also, sehr ernsthaft und wie leichthin und ausgesprochen anregend – auch dafür: Zeit nehmen und genau schauen.

Klaus Geldmacher, Ausstellungsansicht Galerie Ruth Leuchter, Düsseldorf 2010, © Klaus Geldmacher, Foto: Galerie Ruth Leuchter, Düsseldorf

Horst Becking – Tage in … II, bis 8. Mai im Osthaus Museum Hagen, www.osthausmuseum.de

Kunstmuseum Mülheim in der Alten Post, www.kunstmuseum-mh.de

Friedrich Gräsel, Katalanische Zeichen – Objekte und Bilder, 15. Mai bis 3. Juli im Schlieker-Haus in Bochum, Mittwoch, 1. Juni um 20 Uhr Künstlergespräch, www.schlieker-haus.de

Klaus Florian, bis 15. Mai in der Städtischen Galerie im Schlosspark Strünkede in Herne, www.herne.de

Thomas Hirsch

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