Eine Ausstellung aus lauter Rätseln. Im Duisburger Lehmbruck Museum zeigt der Essener Bildhauer Carl Emanuel Wolff drei Figurengruppen, die, durch die Fensterscheibe auch von draußen zu sehen, unverbunden aufeinander folgen und jeweils für sich Handlungen suggerieren. Aber der jeweilige „Sinn“ bleibt offen. Die Akteure sind Tiere und Menschen, vor allem letztere in formaler Verwandlung. Gemeinsam ist allen Figuren, dass sie aus sehr unterschiedlichen, teils außergewöhnlichen Materialien gestaltet sind, die so gar nicht in die Geschichte der Bildhauerei passen. Indes sind sie, meist in Lebensgröße, exakt gebaut im Umgang mit Proportion und Raumgefühl, was nun auch in der Präsentation in Duisburg zum Ausdruck kommt. Zugleich zeigt Wolff sein Gespür für Inszenierung im forcierten Abgleiten ins Absurde. Er setzt die Wesen zu- und gegeneinander, ein Berg aus Fischen, Wildschweine, Soldaten, eine Fahrzeugachse (auf der Einladungskarte ist von der „Achse des Bösen“ die Rede – das ist freilich blöd), und das kulminiert dann in der dritten Gruppe, die einen echten Tisch und einen echten Stuhl, ein echtes Geweih und ein echtes Skateboard und Teile eines echten Teddybären enthält.
Auf unbestimmte Weise fühlt man sich an Märchen erinnert, freilich verorten die Accessoires diese Szenen wieder in der Gegenwart: etwa, dass die sieben rötlichen Männer der einen Gruppe aus Zündlunten bestehen und sichtlich Soldaten im Kampfanzug (und ganz und gar keine Zwerge) sind oder das männlich anmutende Wesen der anderen Gruppe, vor dem Mobiliar eine Zigarre rauchend. Ist Carl Emanuel Wolff ein gesellschaftskritischer Künstler? Ist er nicht viel zu plakativ und geht er nicht, um seine formalen Qualitäten wissend, schlichtweg auf die Nerven? Zumindest erweitert er sorgfältig und mit aufwändiger Hingabe das Potential figurativer Skulptur für das 21. Jahrhundert. Es war und ist schon ein Kreuz mit den Plastiken des 1957 in Essen geborenen und an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden als Professor lehrenden Carl Emanuel Wolff. Unbedingt anschauen!
„Carl Emanuel Wolff – Die Achse des Bösen“ I Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg I Bis 2.10. I www.lehmbruckmuseum.de
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