Im Beichtstuhl offenbart ein Mann seinem Priester, dass er als Kind jahrelang sexuell missbraucht wurde. Der verstorbene Täter war ebenfalls Priester. Der Mann verfällt der Idee, sein Leiden mit dem Mord an einem unschuldigen Priester zu rächen. Der Beichtvater erfährt, dass er in einer Woche sterben soll. Der Priester erkennt die Stimme des Beichtenden, entscheidet sich aber, ihn nicht anzuzeigen. Die Zuschauer begleiten ihn durch eine Woche, in der er seine Gemeindemitglieder aufsucht. Viele schätzen ihn als Gesprächspartner, konfrontieren ihn aber ohne Zögern mit Spott und Zynismus.
Marcus Minten hat Katholische Theologie und Sozialarbeit studiert, widmet sich unter anderem der Bildungsarbeit. Den Film „Am Sonntag bist Du tot“ hat er für einen Abend der Filmreihe „Lebenskönnerschaft – Impulse aus der Philosophie der Lebenskunst“ im Medienforum Essen ausgewählt. Filme seien als Bildungsmedium leider völlig unterschätzt, bedauert er, seien sie doch besonders geeignet als allgemein verständlicher Zugang zu existentiellen Fragen.
Entsprechende Motive bezieht er aus der Lektüre der Bücher von Wilhelm Schmid, dem bekannten zeitgenössischen Vertreter der Philosophie der Lebenskunst. Allerdings sollen die Teilnehmer nicht das Gefühl bekommen, in einem film- oder geisteswissenschaftlichen Seminar zu sitzen, betont Minten.
Der Film aus dem Jahr 2014 erzählt seine Geschichte in ruhigen Bildern. Szenen in fahl belichteten Räumen wechseln einander ab mit lichten Aufnahmen der weiten irischen Landschaft. Die sparsame musikalische Untermalung erlaubt sich nur wenige dramatische Höhepunkte. Brendan Gleeson spielt den bärtigen Priester erdig und ohne große Gesten, niemals aber teilnahmslos.
Nach einer Morddrohung den Dingen ihren Lauf zu lassen, das erscheint einer Zuschauerin im anschließenden Gespräch als Ausdruck von Überheblichkeit. Diese Passivität stehe einem Priester nicht zu, habe er doch das von Gott gegebene Leben zu schätzen. Daneben steht der Vorschlag einer anderen Zuschauerin, dies gerade als Ausdruck von Gottvertrauen zu nehmen, nicht von Gleichgültigkeit.
Marcus Minten motiviert das Publikum, unterschiedliche Deutungen zuzulassen, obwohl schon der Originaltitel des Films, „Calvary“ (Kalvarienberg oder Golgota), Analogien zum Leidensweg Jesu nahelege. Hervorgehoben wird im Verlauf der Diskussion, dass der Charakter des Priesters durch seine Brüche glaubhaft wird. Als seine Tochter zu Besuch kommt, stellt sich nach und nach heraus, dass er erst nach dem Tod seiner Ehefrau zum Priestertum fand, ein Alkoholproblem bewältigt hat und sich um seine Tochter sorgt, die mehr als einmal versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Als er betrunken und mit einer Schusswaffe die örtliche Kneipe demoliert, zeigt sich, dass auch er dem Druck kaum noch standhält.
Zu beeindruckender Größe findet der Priester zurück, als es ihm gelingt, in Erwartung der Gefahr eine harmonische Beziehung zu seiner Tochter einzuleiten. Sie reist ab mit einer wichtigen Lektion des Vaters: Dass zu viel über Sünden geredet werde. Und zu wenig über Tugenden. Marcus Minten beschließt den Abend mit der Feststellung, dieser Film erzwinge es geradezu, Stellung zu den unausweichlichen Fragen des Lebens zu beziehen.
Die nächsten Filmabende aus der Reihe „Lebenskönnerschaft“ finden am 17. Mai und 5. Juli statt. Nähere Infos unter: www.bistum-essen.de
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