Es ist ein wenig wie mit Wasserfarben malen: Zuerst wird die aus Naturstoffen hergestellte Farbe aufgetragen, dann kommt ein dicker nasser Pinsel zum Einsatz, mit dem unter Kreisbewegungen schöne farbliche Übergänge erzielt werden. Wie die südkoreanische Malweise Minhwa funktioniert, können die Besuchenden der Ausstellung „Entdecke Minhwa – Traditionelle koreanische Malerei“ nicht nur anhand der ausgestellten Werke erahnen, sondern es auch direkt ausprobieren: Bei dem Workshop entsteht Schritt für Schritt ein farbenfrohes Blütenmotiv. Zuerst die Blätter, dann die Farbübergänge und zum Schluss die Feinheiten, bevor man einen Rahmen auswählt und den eigenen Namen in koreanischer Schrift aufzeichnen lässt – fertig ist das persönliche Minhwa-Kunstwerk!
Facetten der südkoreanischen Kultur
Südkorea ist in der deutschen Kulturlandschaft seit längerem vertreten: Unter der Bezeichnung K-Wave schwappen die verschiedensten Kunst- und Ausdrucksformen südkoreanischer Kultur wie Bands oder Filme auch nach Deutschland über, und nun machte auch die traditionelle Kunstform Minhwa per Ausstellung eine Stippvisite im Landesspracheninstitut der Ruhr-Universität Bochum (LSI). Dass Minhwa-Werke überhaupt in Deutschland ausgestellt werden, ist eine absolute Neuheit, die der koreanische Botschafter Huh Seung Jae dem tiefgreifenden Verständnis von Dorothea Hoppmann, Ansprechpartnerin für Koreanisch im LSI, zuschreibt. Den kulturellen Austausch ermöglichen auch die drei beteiligten Künstlerinnen: Eunyoung Moon, Sujin Kim und Deborah Cha stellten zwei Tage lang ihre eigenen Werke aus, führten durch die Ausstellung und leiteten Interessierte in Workshops an, selbst Minhwa-Techniken auszuprobieren.
Der Zauber der Alltagsszenen
Beim Streifen durch die Ausstellung fällt eines auf: Die Bilder sind einzigartig. Versucht man dennoch Gemeinsamkeiten festzustellen, gleichen sich viele der Werke in den ungewöhnlich bunten Farben, denn Minhwa bricht mit der traditionellen Tuschemalerei Koreas. Den Ursprung hat diese künstlerische Strömung in der Chosŏn-Dynastie, als Arbeiter:innen ohne institutionalisierte Malereiausbildung das abbildeten, was ihren Alltag bestimmte: Bücherregale, Fächer, Vasen oder der Blick aus dem Fenster wurden zu hellen, farbenfrohen Gemälden, auf denen die Künstler:innen Einblicke in ihr täglichen Leben mit dem Wunsch nach zukünftigem Glück verbinden. „In diesen Alltagszenen lässt sich viel entdecken. Im Bild verstecken sich Formen und Farbspielereien, genauso besitzen die Motive eine bestimmte Symbolik“, erklärt Hoppmann das Zusammenspiel von Alltag und Zukunftswunsch. Dabei unterliegen auch diese Symbole, die sich meist an den Buddhismus anlehnen, einem Wandel: Seit den 1980er Jahren erlebt das Interesse an Minhwa eine neue Blütezeit, es wird sich von traditionellen Bildwelten gelöst, sodass die Ikonografie mittlerweile auch die Wertvorstellungen der Gegenwart reflektiert. Die Ausstellung schafft es, diese Bandbreite abzudecken, was auch mit Minhwa vertraute Besucher:innen begeistert: „In meiner Kindheit bin ich mit solchen Motiven aufgewachsen“, sagt der koreanische Botschafter, während er auf eine klassische Fächerabbildung zeigt, „die detaillierteren Bilder sind auch für mich eine ungewöhnliche, aber spannende Neuheit!“
Erfahren statt schauen
Zusätzlich zu der Ausstellung werden Workshops angeboten, für die die drei Künstlerinnen extra Materialien aus Korea mitgebracht haben. Die Teilnehmenden malen nach Vorlage eine Pfingstrose oder Lotusblume. Während alle bemüht sind, die Maltechnik nachzuahmen, huschen die Künstlerinnen um den großen Tisch, unterstützen bei der Ausführung und geben hilfreiche Tipps. „Für mich ist genau dieser Moment, in dem die Farbe auf das Papier gebracht wird, das Reizvolle an Minhwa, es macht den Charme aus, dem man verfällt“, so die Künstlerin Eunyoung Moon. Dem Charme von Minhwa scheinen die Besuchenden wirklich zu verfallen, dabei ist ganz egal, ob es sich um deutsche Besucher:innen mit einem Interesse für südkoreanische Kultur handelt, um Koreaner:innen, die vor Jahrzehnten zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind oder die zweite und dritte Generation nach ihnen. Die Bilder des Glücks, wie sie des Öfteren in der Ausstellung genannt werden, reizen durch ihre Einfachheit, Offenheit und Ehrlichkeit und ermöglichen eine umfassende und einmalige Beschäftigung mit der Kunstform – und damit auch einem Teil der südkoreanischen Kultur.
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