Langsam zuckt ein Fadenwurm durch die Flüssigkeit. Fraktale Strukturen umrahmen die Szenerie auf dem Flachbildschirm. Ein Blick durchs Mikroskop oder in neue Welten? Hier haben sich die Stammzellenforscherin Sylvia Niebrügge und der Künstler Georg Mühleck gefunden. Beide sind an Zellkulturen-Technologie interessiert. Sie an der biologischen, er an der künstlichen, herausgekommen ist das Zwei-Minuten-Video „Cell-Cell“ (2010). Zu sehen ist es in der Ausstellung „Computerkunst/ Computer Art“ in der städtischen Galerie „sohle 1“ in Bergkamen. Sie zeigt die aktuellen Wettbewerbsarbeiten um den Preis des Goldenen Plotters 2010 der Stadt Gladbeck.
Gewonnen hat ihn die Filmemacherin Daniela Risch aus Essen, mit der Vierminuten-Animation „Und wenn wir dann im Himmel sind“ (DVD 2008). Es ist ein netter digitaler Kurzfilm, der das Besondere im Alltäglichen widerspiegeln soll, ein Tanz von Puppenmöbeln in einem schlichten Bühnenbild, durchbrochen mit schwarzweißen Familienfotos. Er war schon auf zwei Kurzfilmfestivals vertreten und läuft in Bergkamen, mit den fünf anderen Wettbewerbsfilmen, auf dem Flachbildschirm neben der „Progressiven Quadratschachtelung“ (Acryl auf Leinwand, 2008) von Peter Kenter.
Die traditionsreichste Ausstellung zur Computerkunst im Ruhrgebiet wurde im vergangenen Kulturhauptstadtjahr in das Symposium der Internationalen Gesellschaft für Elektronische Kunst (ISEA) eingebettet, in Bergkamen muss sie sich zwischen antiquiertem Druckkabinett und mobiler Kleinkunstbühne behaupten. Das tut sie mit Computergrafiken, Bildschirmfotos, Animationen, Videos, Installationen und CopyArt-Produkten, alles eher Computer Art. Hochspannend sind hier nur die Arbeiten von Ingrid Hermentin. Sie nennt ihr Bildherstellungsverfahren „Transkription“. Das ist ein mehrschichtiger Vorgang. Am Anfang steht die technische Umwandlung der physischen Gestalt in ihre digitale Existenzform. Fünf Frauen-Portraits erfahren so die Auflösung ihrer Körperlichkeit in eine im Computer verhandelbare Zeichenfolge. Damit verlieren sie völlig ihre Wiedererkennungswerte.
Einen Rechner braucht in dieser Ausstellung in erster Linie das Künstlertrio Grabowski, Ketelsen und Cermak-Sassenrath von compArt, dem Kompetenzzentrum Digitale Kunst der Uni Bremen. Von ihnen steht im ersten Stock der Galerie „Polishot“ (2010), ein einfaches Schießspiel, das mit Metaphern aus Kunst und Politik spielen will und dazu mit einem Beamer Collagen mit absurden Inhalten auf die Wand wirft, als Knarre dient ein modifiziertes Bügeleisen. Damit sollen die verantwortlichen Politiker platt gemacht werden, nachdem man den Schwindel in ihrer Politik entlarvt hat. Gleich daneben die Installation „Tempori pare“ (2010) der Kroatin Dunja Donassy. Der auf dem Kopf stehende Baum in der Plexiglasröhre reflektiert den sich wandelnden Bezug des Menschen zur Natur, der sich mit technischem Fortschritt in eine Zukunft entwickelt, die noch nicht absehbar ist. Vor dem Gang in die Cafeteria lohnt es sich noch den Knopf mit der 6 unter dem Flachbildschirm zu drücken. Dann sieht man das schöne Video „Pedestrian Light“ (DVD 2009) von Ludwig Zeller, entstanden an einer Ampel in Hong Kong während einer Künstlerresidenz. Doch sehen sie lieber selbst.
"Computerkunst/ Computer Art“ I Bis 1.7. I Städtische Galerie „sohle 1“, Bergkamen I 02306 306 02 10
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