Nicht nur im Ruhrgebiet wird gebuckelt bis der Mottek bricht. Da gibt es in Europa sehr ähnliche Regionen mit einem ähnlichen industriellen Background, der von UNESCO-Zechen, wie der Arenberg Fosse im französischen Nord-Pas-de-Calais bis hin zum Steinkohlebergbau im polnischen Oberschlesien reicht. Die Europäische Union fördert das Zusammenwachsen der unterschiedlichen Regionen in Forschung und Wissenschaft und seit 2011 endlich auch in Kultur, denn die „überwinde Grenzen, bringe Menschen zusammen, schaffe Gemeinsamkeiten und Verständnis – heute und in der Vergangenheit“. Wie wahr. Seitdem gibt es die Zusammenarbeit im Regionalen Weimarer Dreieck, zwischen Nordrhein-Westfalen und den Regionen Hauts-de-France in Frankreich und Schlesien in Polen, jährlich wird abwechselnd in einer der drei Partnerregionen ein Kulturprojekt realisiert. Auf dem Programm der Projektreihe „Kulturatrium“ standen unter anderem bereits Jazz, Literatur, Tanz, Theater und Videomapping. Im letzten Jahr war NRW an der Reihe und das Programm war aktuell wie noch nie.
Hip-Hop aus Kohleregion
Unter dem Titel „Urban Art³“ brachte 2020 der Herner Pottporus e.V. Künstlerinnen und Künstler aus den drei Regionen zusammen. Bei der Street-Art Kunst traf Hip-Hop aus Zabrze Rap aus Dorsten, Stencil-Art aus Lille auf Graffiti aus Dortmund. Zusammen tauschten sie sich über ihre doch sehr ähnlichen Lebenssituationen in den ehemaligen Kohleregionen aus und diskutierten deren Einfluss auf ihr künstlerisches Schaffen. Natürlich immer zeitgenössisch digital – denn auch die Pandemie ließ keine persönlichen Begegnungen zu und so kam es dass die Ergebnisse dieser Kollaboration erst Mitte April wenigstens im Internet zu sehen waren.
Erstausgestrahlt wurde da das Musikvideo „Charbonner“ des Duos Pour l’Amour du Groove aus Hauts-de-France, der Hip-Hop-Gruppe Pokahontaz aus Schlesien, des Rappers 2Seiten aus dem Ruhrgebiet und dem Emscherland-Akkordeon-Orchester sowie auf tänzerische Einlagen der HipHop-Kompagnie Renegade, ein schönes extrovertiertes Stück europäischer Zusammenarbeit, in der Landesgrenzen keine, Sprache eine geringe Rolle spielt. Irgendwo im Stollen rocken die Quetschkommoden, rasselt der Zuschauer in schnellen Schritten durch die Regionen.
Skurrile Graffiti-Atmosphäre
In geschickt und emotional harten Wortfetzen geht es um Kohle („Charbonner“), um das monotone Schaffen und den Flair, den die Maloche unter Tage hatte und immer noch generiert. „Urlaub ist hier kurz zur Trinkhalle gehen“ behauptet Bülent (2Seiten) aus Dorsten, dessen Vater Bergmann war, der als Dieselschlosser unter Tage gearbeitet hat und seit 20 Jahren Hip-Hop macht. Warum er nicht aus Dorsten weg will erklärt er in der sehr sehenswerten Dokumentation über die Zusammenarbeit der Urbanen Künstler, die von Pottporus zusammengeführt wurden, sich aber wegen Covid nie in ihren Heimatregionen treffen konnten. Mein Highlight ist Bilel Allem aus der kleinen Stadt Maubeuge in der Region Hauts-de-France, der schon mal Graffiti mit animierten Bildern mischt und so eine sehr skurrile Atmosphäre in seinen ungewöhnlichen Videos produziert.
Videos „Urban Art³“ und „Charbonner“ | Pottporus
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