Ein altes Adenauer-Zitat fällt ein: „Wir wählen die Freiheit“, nach „Geld oder Leben" wurde da nicht gefragt, wir wählten sowieso Fastfood und Kohle, Leben ist bis heute nicht so wichtig, die Frage der Wahl stellen die zeitgenössischen Banditen auch gar nicht mehr. Nur das Theatertreffen 2014 im Rahmen der Duisburger Akzente bleibt dabei, es thematisiert die weltweiten Krisen der Finanzen, die im Kern keine sind – und stellt die Fragen nach dem Wert des Lebens. Neun Stücke buhlen dabei in 18 Aufführungen um die Gunst des Publikums und es sind sicher die weiter gereisten, die dieses Treffen schon aus logistischen Gründen besonders machen.
Die Eröffnung des Festivals bestreitet dabei Hasko Webers Inszenierung von Lessings „Minna von Barnhelm“vom Staatstheater Hannover. Da kehrt der preußische Major von Tellheim mittellos und unfreiwillig aus dem Siebenjährigen Krieg zurück. Seine Ehre ist angekratzt, sein Stand in Gefahr, eine Heirat der Minna von Barnhelm undenkbar. Doch die adlige und natürlich nicht unvermögende Frau kämpft um ihre große Liebe. Regisseur Weber verzichtet dabei auf eine Aktualisierung des Stoffes. Er setzt auf Lessings Sprachwitz und seine Akteure in fast historischen Kostümen. Julia Schmalbrock ist in Hannover die entschlossene Minna im Rokokokleid, vor der Tellheim mal wieder kapitulieren muss.
Aus dem deutschen Norden kommen die beiden Stücke, die sich mit dem Reichtum als Lebensgrundlage beschäftigen. In Patricia Highsmiths Krimi um den Lebenskünstler Tom Ripley geht es auch um Identität und deren Notwendigkeit zum Überleben, denn Ripley ist in erster Linie ein Niemand, schlägt sich in New York durch und träumt vom Dolce Vita. Geschickt ist er aber auch und so übernimmt er die Existenz vom Werfterben Dickie Greenleaf, wird erst sein Freund, inszeniert sein Verschwinden, tröstet seine Freundin, täuscht die Polizei, beseitigt den Widersacher, erschleicht sich sein Erbe und bleibt der Welt immer einen Schritt voraus dank der Energie der Gewissenlosigkeit. Eigentlich würde das jedermann so machen, wenn er nur dieses Talent hätte. Bastian Kraft inszenierte das mehrfach verfilmte Soziopathenspiel in Hamburg mit einem überzeugenden Christoph Pütthoff als Tom Ripley.
Die Bremer shakespeare company liefert Timon von Athen als zeitloses Spiel aus der fast ewig existierenden Finanzwelt ab. Sebastian Kautz inszeniert die Shakespearsche Metapher zu den heute weltweiten Geldströmen und den Mäandern in die Leben von Millionen Menschen.Timon ist reich und gibt sein Geld mit vollen Händen aus, zusammen mit den Kumpels schwelgt er in Dekadenz und scheinbarer Sorglosigkeit, bis die große Spekulationsblase platzt und er schlichtweg pleite ist. Nicht nur die „goldenen Talente“, auch die falschen Freunde sind verschwunden. Timon streift verbittert durch die Einsamkeit – und findet beim Wühlen nach Essbarem einen Goldschatz. Er ist wieder da und plant seine Rache. Ersetzen wir nun den Bürger Athens durch einen zeitgenössischen staatlich subventionierten Bankenmanager, dann kann das Publikum in dieser Inszenierung viel lernen, auch über die Wut der Besitzenden, wenn mal die Armut an die Tür klopft oder der „Besuch der alten Dame“ ansteht.
„Theatertreffen“ im Rahmen der 35. Duisburger Akzente 2014 | 7.3-23.3 | Theater Duisburg | 0203 300 91 00
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