Die ersten Laute, die in der Bochumer Zeche Hannover zu hören waren, hörten sich polnisch an. Kein Wunder bei einer Ausstellung über sogenannte „Displaced Persons“ (DPs), wie eine Million ehemalige polnische Zwangsarbeiter, Häftlinge und Kriegsgefangene nach dem Krieg genannt wurden. Viele von ihnen konnten aus politischen Gründen nicht in ihre Heimat zurück. Ihre Geschichte ist selten dokumentiert, vielen unbekannt. Die polnische Sprache kam aber nicht wie vermutet von einem Audioband der Ausstellung, nein, ein älterer Herr erklärte wohl seinem Sohn die Innereien des ehemaligen Malakowturms.
Der Alltag dieser „heimatlosen Ausländer“, wie sie später genannt wurden, war karg. Aber das Bundesministerium für Vertriebene gab wenigstens einen Ratgeber für sie aus: nicht nur für sie, sondern auch für andere „sonstige ausländische Flüchtlinge“. Insofern ist die Ausstellung „Zwischen Ungewissheit und Zuversicht“ im ehemaligen Maschinenhaus der Zeche ziemlich zeitaktuell. Aus recht rohem braungrauem Holz hat man Stellwände geschraubt, die an Lager erinnern, gläserne Vitrinen zeigen Gegenstände, die die Zeit überdauert haben. Hier die Fahne der polnischen Bauernpartei von 1955, da ein Kruzifix und Messkelch aus der polnisch-katholischen Mission in Dortmund. Mit Dokumenten, Fotos und Videointerviews zeigt die Dramaturgie dieses kaum bekannte Stück deutsch-polnischer Geschichte zwischen Lageralltag und dem Versuch, die kulturellen Wurzeln zu erhalten. Bereits 1945 fanden erste Kunstausstellungen der DPs statt, die bis zur Verarbeitung des Schreckens der Konzentrationslager eine beachtliche Bandbreite zeigten. Und deren Ankündigungsplakate und Fotografien an den Holzwänden zu sehen sind. Daneben wieder erhalten gebliebene rostige Kanister für Sojaöl und ein alter Karton für Roastbeef. Auch Theater wurde sofort wieder gespielt. „Es ist uns alles egal“ (1945) oder „Hawaian Night in Brunswick“ (1948). Trotz der herrschenden Knappheit und Ungewissheit über ihr weiteres Schicksal hat sich ein bemerkenswertes und vielfältiges Kulturleben in den Camps und Lagern entwickelt, wie das Foto der neunköpfigen Musiker-Gruppe im DP-Lager in Haltern (1947) zeigt.
Aber viele der ehemaligen Lagerinsassen der Nachkriegszeit blieben auch nicht in der neuen Bundesrepublik und wanderten nach Übersee aus. Bevor sie abreisten bleiben einige Dinge zurück. Wie das große hölzerne Kruzifix, das in Dortmund-Eving überdauerte, oder die anderen Erinnerungsstücke, die das Ausstellungsteam noch bei vielen Zeitzeugen gefunden haben, die mit ihren Erzählungen und Leihgaben die Präsentation begleiten. Wie die Zigarre, die mit Widmung erhalten geblieben ist. Sie ist seit mehreren Jahrzehnten in Familienbesitz. Der befreite Kriegsgefangene Franciszek Kellner, der im Kriegsgefangenenlager Stalag VI G interniert war und in der Nähe von Bonn zu Arbeiten in der Landwirtschaft eingesetzt wurde, brachte sie seinen Eltern als Geschenk mit, als er 1947 in seine Heimat zurückkehrte. Sein Bruder Albert fand die sorgsam verwahrte Zigarre im Nachlass des Vaters.
„Zwischen Ungewissheit und Zuversicht. Polnische Displaced Persons in Deutschland 1945-1955“ | bis 30.10. | Zeche Hannover, Bochum | 0234 610 08 74
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