Kunstpreise sind eine passende Gelegenheit, das Werk eines Künstlers in seiner Bedeutung und Gesamtheit zu vergegenwärtigen, zumal wenn die dazugehörige Ausstellung – wie bei Sven Kroner (*1973) im Osthaus Museum – über das aktuelle Schaffen hinausgeht und frühere Bilder einbezieht. In Hagen klärt sich, dass das Leitthema seiner malerisch realistischen Bilder die Einrichtung des Menschen in und mit der Natur ist. Folie dafür ist die Landschaft, die in unterschiedlichen Kontexten beobachtet ist: in frühen Bildern als Schnee verschneite Berglandschaft, als sumpfiges Gelände oder in der Überschau auf ein Feld oder eine Hügelkette in der Ferne, später dann in der Zersiedlung durch Eisenbahnschienen und schließlich in der dämmrig tristen Vorstadt mit ihren Bürgersteigen zwischen den Vorgärten und den Reihen parkender Autos.
Der Mensch muss bei all dem gar nicht auftauchen und doch ist er der Hauptakteur. Und dann ist er ja doch anwesend: mit den Kindern, die eingemummt in Winterkleidung einen Schneemann bauen, den Fußabdrücken oder Fingerschreibereien im Schnee, vielleicht hinter den erleuchteten Fenstern und erst recht als Spielzeug-Figuren, die vor Modellhäusern stehen. Der Mensch ist auch der Urheber der kulturellen und technischen Errungenschaften in den oft großformatigen Gemälden, die subtil die Evolution in den Vordergrund rücken und auf die von ihm ausgelösten Veränderungen in der Natur hinweisen.
So greift Sven Kroner über die Jahrzehnte seiner Malerei auf die Darstellung von Fortbewegung und Reise zurück: Skifahrer, Schiffe und Eisenbahnen, Flugzeuge und Autos sind in einzelnen Werkreihen die Protagonisten. Folglich liegt es nahe, dass die Perspektiven von Bild zu Bild wechseln. Aus der damit einhergehenden Größenverschiebung hat Sven Kroner ein raffiniertes Spiel von Wirklichkeit und Modell, Zuschauer und Bühne, Atelier und Zuhause entwickelt, bei dem die Vorstellungen gleich mehrfach verschoben und schwankend werden und wir uns schließlich, in den neueren Bildern, gar nicht mehr sicher sind, ob wir auf Realität oder die Inszenierung von Modellbauten, Malerei oder die dem zugrunde liegenden Fotografien schauen. Exemplarisch dafür steht der Blick eine Treppe hinauf oder herunter oder in ein Diorama hinein, das ein Dorf in einer landschaftlichen Gegend zeigt.
Und dann ist in einzelnen Gemälden sogar das Setting für die Malerei auf der Leinwand auf dem Atelierboden zu sehen mitsamt der Nachahmung der Beleuchtungssituation mit einer Nachttischlampe auf einem Stuhl. Der Titel des Bildes ist: „Der Mond“ ... Die allerneuesten Bilder aber zerstören selbst diese Idylle. Denn so wie in früheren Bildern Naturkatastrophen zu sehen waren – Überschwemmungen und Stürme mit ihren Schneisen der Verwüstung –, so ist nun unsere Behausung aus Beton, Stein und Holz als morsche Haut aus Pappe wüst zusammengeschoben, aufgeworfen und zerlegt, wie es vor einem Jahr die Flutkatastrophe vor Augen geführt hat. Schon hier deuten sich die Dramen und Fehler der Menschheit im 21. Jahrhundert an, transformiert in eine sinnliche, verwirrend gleichnishafte Malerei – kurzum: unbedingt empfehlenswert!
Chroma | bis 13.11. | Osthaus Museum Hagen | 02331 207 31 38
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